Oschatz: Kaserne des NIR-2

Hallo, ich habe ein für meine Familie und mich sehr wichtiges Anliegen und habe die Hoffnung, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen können: mein Onkel war damals zu DDR Zeit ein Soldat in der Kaserne Oschatz gewesen und ist dort verstorben. Es hieß, er habe sich erhangen. Er hatte sich die Tage zuvor wohl anders benommen berichten meine Eltern, aber nichts hat auf Suizidgedanken hingewiesen. Vielmehr vermuten meine Großeltern, dass er erpresst/bedroht worden ist. Sie hatten damals versucht, mit Soldaten Kontakt aufzunehmen, welche direkten Kontakt zu ihm hatten, dies wurde ihnen aber untersagt oder es hieß 'die Soldaten seien nicht vor Ort'. Sie durften den Leichnam sehen, unterm Kinn schien wohl eine Schnittwunde zu sein, die evtl. von einem Messer stammen könnte.
Nun meine Frage: haben Sie von ähnlichen Situationen in Kasernen gehört, in welchen ein Mord als ein Suizid getarnt wurde?
Hallo,

die Anfrage ist zwar schon einige Jahre alt und eine ungefähre Jahreszahl des Vorfalls wäre sicher hilfreich gewesen. Ich kann dahingegehend beitragen, dass sich während meiner aktiven Zeit im NIR Oschatz (85/I bis 86/II) ein frisch eingezogener Unteroffiziersschüler auf seiner ersten Wache im KDL 2 (das war der Eingang von der Dresdner Straße aus) mit seiner Kalaschnikow erschoss. Der Zeitpunkt war im Frühsommer 1985 - laut Berichten seiner Kameraden wollte er seine längere Dienstzeitverpflichtung zurücknehmen (im damaligen Armeejargon: "Abkeulen"), was ihm aber nicht gewährt wurde. Wir (4. Kompanie) waren diejenigen, die nach den militärstaatsanwaltlichen Ermittlungen und der Grobreinigung durch Medpunkt-Angestellte die Folgewache hatten. Oben in der Decke befanden sich zwei Einschusstrichter, was sich mit den Angaben seiner Wachkameraden deckt, dass er seine Waffe auf Dauerfeuer gestellt und unter dem Kinn angesetzt haben soll.

Weil das damalige Narrativ "Erziehung von jungen, sozialistischen Persönlichkeiten" hieß, durfte es natürlich nicht sein, dass ein 19-Jähriger am Einberufungssystem zerbrach. Somit wurde in der Regimentskommandantur von einem "Unfall" gesprochen und höchste Geheimhaltung beschworen. Ein Mord war das allerdings nicht und mir ist auch kein solcher Fall aus anderen DDR-Kasernen bekannt. Freilich hat man die Leute, die dem Druck der langen Trennung von Zuhause und Partnerin, dem militärischen Drill, den internen Schikanen ("EK-Bewegung") usw. nicht gewachsen waren, zuweilen sehenden Auges in den Tod getrieben. Wobei das NIR Oschatz ein aus meiner, auf die 4. Kompanie (Funker) begrenzte Erfahrung, ein vergleichsweise mildes Kasernenleben für Wehrpflichtige bot. Was freilich nicht die grundlegend haftartig gestalteten Wehrpflicht in der ehemaligen DDR verklären soll.

Dass der junge Mann eine "Wunde" unter dem Kinn gehabt hat, würde sich ja mit dem Vorfall decken. Angesichts dessen, wie es auch nach der "Reinigung" noch im Wachlokal aussah, dürfte der Zustand des Leichnams am Oberkopf aber so schlecht gewesen sein, dass man eine Schussverletzung wohl nur schwer verbergen hätte können.

Beste Grüße
Watson
 
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