Wismut: Die sowjetische Bombe, die aus Deutschland kam

Martin Kaule

Administrator
Das Uran für die sowjetische Atommacht wurde in der DDR geschürft. Der Film "Der Uranberg" wirft ein Schlaglicht auf ein dunkles deutsches Kapitel.

Ein vergessenes Kapitel deutscher Geschichte

Der Regisseur Dror Zahavi hat sich in seinem Film „Der Uranberg“ eines beinahe vergessenen Kapitels deutscher Geschichte angenommen. Der Film, der jetzt in die Kinos kommt, ist schon einmal versteckt im deutsch-französischen Kulturkanal Arte gezeigt worden. Doch am besten aufgehoben ist die Produktion des MDR im Kino: Anders als die meisten TV-Regisseure hat Zahavi tatsächlich Bilder zustande gebracht, die nach der großen Leinwand gieren.

Dass der Uranbergbau einmal ein wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschland war, weiß heute fast niemand mehr. Seit der Wiedervereinigung werden die ehemaligen Bergwerke im Erzgebirge rückgebaut und die zerstörte Landschaft renaturiert. Vergessen ist auch, dass es ohne das Uran aus Thüringen und Sachsen wohl keinen Kalten Krieg gegeben hätte.

Quelle und mehr: http://www.welt.de/kultur/history/article12424149/Die-sowjetische-Bombe-die-aus-Deutschland-kam.html
 
Ich bin direkter Zeitzeuge für einen Teil der Vorgänge. Aus Sicht eines Kindes und langsam Heranwachsenden. Ich habe über Jahre die tägliche Anzahl der durchfahrenden Uran-Laster in eine Aufarbeitungsanlage Live erlebt. Nahezu alle meine damaligen Verwandten waren in diese Vorgänge eingebunden. Entweder direkt oder indirekt über ihre Familienmitglieder. Es ist eher noch schlimmer als so allgemein dargestellt und bekannt. Etliche Orte habe ich mir nach 1990 in Ruhe wieder angeschaut - besonders Schlema & Crossen.

Mir ist bekannt, dass zumindest eine weiterer Zeitzeuge hier aktives Forums-Mitglied ist. Falls wir also etwas aus diesen Zeiten berichten bzw. Fragen beantworten, sollte zumindest auf diese Art eine gewisse Objektivierung gegeben sein.

Grüße Frank
 
Zu dem Thema könnte ich auch noch meinen Vater befragen, er war bei der Kasernierten Volkspolizei in Johanngeorgenstadt, als dort das Uran abgebaut wurde.

Gruß Sven!
 
@Bitti hat in einem anderen Forum zu diesem Thema zwei sehr bemerkenswerte Zitatstellen hinterlassen. Ich bin da zufällig drübergestolpert. Dort wurden diese in drei Sätzen abgebügelt. Ich möchte mich hier ausdrücklich bei ihm dafür bedanken.

Ich fand dort in der rund 100 seitigen Broschüre u.a. diese interessante Stelle »
Das geringe Interesse an den sächsischen Uranerzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ die Uranerzlagerstätten im sächsischen Erzgebirge offensichtlich zunehmend in Vergessenheit geraten. Anders ist die völlige Ahnungslosigkeit der amerikanischen Besatzungsmacht 1945 wohl kaum zu erklären. Während die USA alles daran setzten, um zu verhindern, daß Teile des deutschen Atomprojekts in sowjetische Hände fielen, so durch den hektischen Abtransport des Uranerzes aus einem Depot bei Staßfurt und die Bombardierung des Uranerzaufbereitungsbetriebes in Oranienburg, blieben die amerikanischen Truppen Anfang Mai 1945 vor der westlichen Grenze des Landkreises Schwarzenberg stehen, die sowjetischen vor der östlichen.

Es kam zu der wohl größten Paradoxie in der Geschichte des nuklearen Wettrüstens:
Der Landkreis Schwarzenberg und die kreisfreie Stadt Aue – mit den späteren Zentren des Uranbergbaus Schneeberg, Schlema, Schwarzenberg, Pöhla und Johanngeorgenstadt – waren nach dem 8. Mai 1945 für mehrere Wochen unbesetztes Gebiet in dem von den Alliierten der Antihitlerkoalition besetzten Deutschland. Doch nach der sowjetischen Besetzung des Gebietes bestimmten die Uranerzlagerstätten sehr bald die weitere Entwicklung der Region.
Michael Beleites Altlast Wismut ISBN 3-86099-104-3
 
Habe im letzten Jahr eine Arbeit zur Geschichte der sowjetischen Atombombe verfasst, worin auch die Bedeutung des deutschen Uranabbaus eine Rolle spielte. Zu diesem Thema kann ich insbesondere diese Bücher nennen/empfehlen, die z.T. auf die deutsche Frage eingehen:

- Chochran, T.B. (u.a.): Making the Russian Bomb. From Stalin to Yeltsin. Oxford 1995, in: Siehe Internetquelle.

- Heinemann-Grüder, A.: Die Sowjetische Atombombe. Münster 1992.

- Heinemann-Grüder: Deutsche Mitarbeit im sowjetischen Atomprojekt, in: Die Spezialisten. Deutsche Naturwissenschaftler und Techniker in der Sowjetunion nach 1945, hrg. v. U. Albecht (u.a.), Berlin 1992

- Heinemann-Grüder: Die Anfänge des sowjetischen Atomprojekts 1942 - 1945 und die Uran-Lücke, in: Strahlende Vergangenheit, hrg. v. R. Karlsch (u.a.), St. Katharinen 1996.

- Holloway, D.: Stalin and the bomb. The Soviet Union and Atomic Energy. 1939 - 1956. New Haven (u.a.) 1994.

- Karlsch, R.: Uran für Moskau. Die Wismut - Eine populäre Geschichte. 2. Aufl., Berlin 2007.


MfG
Goony
 
Unter "Arbeit" ist hierbei vielmehr eine Leistungserhebung im akademischen Rahmen zu verstehen - und entsprechend der einigermaßen "guten" Note zählt diese nicht unbedingt zu meinen Glanzstücke. Am interessantesten fand ich in jedem Falle die Werke von Heinemann-Grüder, hier insb. Die Sowjetische Atombombe. (Münster 1992). Wenn du dennoch an meiner "Arbeit" (knapp 20 Seiten DIN A4 / Schriftgröße 12 / 1,5 Zeilenabstand) interessiert sein solltest, müsstest du dich mal per PM bei mir melden...

MfG
Goony
 
Tja die Wismut war wohl immer ein spannendes Thema und wird es auch bleiben.

Ich hab mein gesamte Kindheit und Jugend unmittelbar am Ort des Aufbereitungsbetriebes 101 in Crossen verbracht. Was dort im Betrieb passierte wussten wir, wie hochgradig gefährlich das war hingegen nicht. Das wurde immer heruntergespielt. So haben wir als Kinder bedenkanlos an der heute abgetragenen Abraumhalde gespielt (ein offizieller Spielplatz war unmittelbar daneben). Gelagert wurde auf der Halde das Gestein, welches nach der Erzwäsche übrig blieb. Es wurde sogar zum Teil aufbereitet als Baumaterial wieder in den Umlauf gebracht. Im internen Sprachgebrauch der Wismut nannte sich die Halde auch Armerzhalde. Ein prägendes Bild waren auch sogenannten Schlammteiche (Absetzbecken). Hierhin wurden die flüssigen und radioaktiven Reste der Erzwäsche verbracht.

Ein Bericht über den Rückbau der Anlage in Crossen findet sich hier:

http://www.derzwickauer.de/wismut.html

In Crossen wurde der "Yellow Cake", gewonnen. Vermutet wird, das aus diesem Betrieb der Stoff für 20 000 Atombomben kam.

bitti
 
In Crossen wurde der "Yellow Cake", gewonnen. Vermutet wird, das aus diesem Betrieb der Stoff für 20 000 Atombomben kam.

Das bedeutet, dass sie ganz konservativ und bestmöglichst für die UdSSR Technologie gerechnet, mindestens ~10 000 Tonnen YELLOW CAKE von da über die Jahre abtransportiert haben müssen !

Das bedeutet wiederum kontinuierlich jeden Tag mindestens ~1 Tonne. Und das könnte so hinkommen, wie wir beide (offensichtlich) wissen.

Grüße Frank
 
Hallo Freunde

Ich hab da mal rein interessehalber eine Frage.

Ich hab mal gehört oder gelesen das jedes Land welches Uran Fördert auch verpflichtet ist es zurückzunehmen und zu Entsorgen bzw es Entzulagern ...

Stimmt das und wenn ja kann es passieren das die BRD als Rechtsnachfolger der DDR dafür grade stehen muss ??

grüße Martin
 
@MF,
nein, dieser Zusammenhang ist so nicht bekannt. Alle uns bekannten Probleme der Neuzeit, wie die Castor-Transporte nach Gorleben, beruhen auf zwischenstaatlichen Verträgen, in dem Fall der aus der EU. D selbst hat keine Wiederaufbereitungasanlage (das war mal versucht und abgebrochen worden - NUKEM Hanau), es hängt auch damit zusammen, dass wir uns als Kriegsverlierer sehr 'Atomfremd' verhalten haben. Was ja vielleicht im Nachhinein gar nicht schlecht ist. Fazit: wir nehmen den Müll zurück und haben trotzdem das Uran nicht abgebaut, geschweige denn angereichert.

Ähnlich verhalten sich die alten Verträge der DDR mit der UdSSR. Dort war auch grundsätzlich Lieferung der Brennstäbe und Rücknahme der verbrauchten vorgesehen und so realisiert wurden. Obwohl das Material selbst ja zumindest am Anfang im Wesentlichen von uns kam.

Es ist auch (ausserhalb der EU) ein völlig unkontrolliertes und lukratives Geschäft der Müllentsorgung. Was bei uns zu Proteststürmen bei Transporten führt liegt woander völlig unkontrolliert in der Gegend rum. Beispiele sind Wüstengebiete Zentralafrikas und auch Australiens. Und natürlich die Tiefsee.

Grüße Frank
 
Goony,
es war ein interessanter Leseabend mit deinem Schriftsatz. Das mit den Noten ist immer subjektiv und das Pendel schlägt mal nach unten, mal nach oben aus. Am Ende eines Studiums wird sich ein vernünftiges Mittel ergeben. Ich hatte dir meinen Kontext dazu mitgeteilt, vieles dazu finde ich sehr bemerkenswert & ich lese lieber (aktuelle) Zusammenfassungen als Standard- oder Machwerke. Zumal in Übersichten meist & hier ja wohl auch ganz schöne Portionen Zeit rein geflossen sind.

Grüße Frank
 
Das bedeutet wiederum kontinuierlich jeden Tag mindestens ~1 Tonne. Und das könnte so hinkommen, wie wir beide (offensichtlich) wissen.

Das hab ich noch gar nicht nachgerechnet... :)

In einem anderen Forum wurde der Abtransport mit LKW ja wehement bestritten, weil es eben ein Buch gibt über den Zugtransport. Aber das Buch spricht halt vom Transport per Zug in die SU und nicht vom Transport von den Aufbereitungsbetrieben zur Sammelstelle...

In meiner Erinnerung erfolgte der Abtransport aus Crossen regelmäßig mit entsprechenden Spezial-LKW. Diese blauen Fahrzeuge hatten eine markante Optik, wobei sie nach meiner Meinun gnicht jeden Tag fuhren. Das wüdrde auch hinkommen bezüglich der Mengen die für Crossen im Gespräch sind.

bitti
 
wie hochgradig gefährlich das war hingegen nicht. Das wurde immer heruntergespielt. So haben wir als Kinder bedenkanlos an der heute abgetragenen Abraumhalde gespielt (ein offizieller Spielplatz war unmittelbar daneben). Gelagert wurde auf der Halde das Gestein, welches nach der Erzwäsche übrig blieb. Es wurde sogar zum Teil aufbereitet als Baumaterial wieder in den Umlauf gebracht. Im internen Sprachgebrauch der Wismut nannte sich die Halde auch Armerzhalde.

Zur Bekanntheit, wie gefährlich das Zeug ist noch folgendes: es war in der Gegend üblich, sich neben Achat, "Katzengold" u.ä. auch Pechblende-Stücke in die Schrankwand zu stellen, sogar mit diesem Namen bezeichnet.
Allerdings gabs da ja auch noch kein Wikipedia wo man hätte nachschauen können.
http://de.wikipedia.org/wiki/Uraninit

Und woran die Leute mit "Staublunge" oder "Schneeberger Krankheit" wirklich erkrankt waren und warum, wurde wohl auch nicht öffentlich an die große Glocke gehängt.

Gruß M.
 
..Und woran die Leute mit "Staublunge" oder "Schneeberger Krankheit" wirklich erkrankt waren und warum, wurde wohl auch nicht öffentlich an die große Glocke gehängt.Gruß M.

Hallo MAus,
bei einem BEsuch der als Museum zugänglichen Bergwerksstollen 2008 in Schlema habe ich mal deswegen nachgefragt.
Es hieß, erst nach Umstellung der Abbautechnologie von "trockenen" Presluftwerkzeugen auf "nasse" Technologien - die silikatische Staubemissionen weitgehend verhindern - hätte sich die Erkrankungsrate signifikant verringert.

Denn der Großteil aller zu lösenden Gesteinsmengen war uranfrei, nur die Staub- Exposition aus den relativ dünnen Uranerz- Adern dürfte in die Mortalitätsrechnung infolge Verstrahlung eingehen.

Und eine süße Episode: Eigentlich sollte ja Edelmetall geschürfte werden. Wenn die schwarzen, schweren Steine zutage kamen, waren die Kumpel sauer, hatten also Pech. Daher Pechblende. Dieses Zeugs wurde rausgefördert und auf Halde geworfen. Anwohner hätten die Pech- Klamotten weggekarrt und sie zum Bau ihrer Keller genutzt. Die älteste Einwohnerin von Schlema hätte in solch einem Uranhaus gelebt. So die Legende, hoffentlich stimmt sie auch.

hofft FA - der den Besuch in Schlema nur empfehlen kann
 
Und eine süße Episode: Eigentlich sollte ja Edelmetall geschürfte werden. Wenn die schwarzen, schweren Steine zutage kamen, waren die Kumpel sauer, hatten also Pech. Daher Pechblende.

FA,
also ich persönlich halte das für eine wie man so schön sagt "Volksetymologie" (nachträgliche Umerklärung der Herkunft eines Begriffs, so wie bei der neuen sog. "Rechtschreibung" plötzlich einbleuen von "blau hauen" kommen, und deshalb jetzt einbläuen heißen soll).
Eher wohl so:
Eigentlich sollte ja Edelmetall geschürft werden, obwohl schwer enthielt das Material aber keins - daher ist es "Blende". Und weil es pech-schwarz aussieht, heißt es Pechblende.

Gruß M.
 
Es scheint möglich dass beides mit zu grunde liegt.

Der oben zitierten Schrift nach wurde im Erzgebirge seit Beginn des dortigen Silbererzbergbaus Mitte des 15. Jahrhunderts oft Uranerz mit zu Tage gefördert, aber als unbrauchbares Material auf Halde geschüttet. Pechblende (Blende = Oxid) hieß das Uranerz bei den erzgebirgischen Bergleuten nicht nur wegen seiner pechschwarzen Farbe, sondern offenbar auch, weil es den Bergleuten Pech brachte, denn das damals nutzlose Mineral lagerte meist da, wo die Silbererzgänge zu Ende waren.

Der Begriff selbst ist durch Johann Wolfgang von Goethe seit 1785 gesichert, er war von Karlsbad aus nach Johanngeorgenstadt gereist, um Gesteinsproben zu sammeln. Er sucht dort gezielt nach Pechblende und fand es. Nur vier Jahre später wurde es nochmals gezielt untersucht und das neu gefundene Element mit den Namen Uran versehen.

Grüße Frank
 
Möglich schon, von uns war ja keiner persönlich dabei um es zu bestätigen.
Allerdings
scheint so eher nicht zutreffend zu sein:
Zedlers Universal-Lexicon von 1733 meinte:
Blende, ist eine glintzernde Berg-Art, schwartz und auch gelb, so kein Metall führet, und offt den Bergmann blendet und betrügt.
Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Blende_(Mineralogie), keine der weiteren dort genannten "Blenden" ist ein Oxid.

Gruß M.
 
Es kann durchaus sein, dass es auch eine Henne - Ei Frage ist, und du zeitlich exakter und damit richtiger liegst. Denn nach dem Link ist
Uraninit (auch Pechblende oder Uranpecherz) ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“.
Nur ist ja klar, wann der Begriff Uran definiert wurde. Was dort weiter unten steht zu Blenden, habe ich mal so gelernt. Aber klar, ohne Jahreszahlen.

wikipedia » Uraninit

Grüße Frank
 
Oben