Schloss Vitzenburg

Schloss Vitzenburg #01 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Hoch oben auf einem alten Weinberg liegt dieses geheimnisvolle Märchenschloss. Es ist umgeben von einer Landschaft, die man sich nicht schöner malen könnte. Das Neorenaissanceschloss ist weithin sichtbar und gilt als Wahrzeichen der Region. Doch der Schlossherr kümmert sich kaum noch um sein Anwesen. Stattdessen verfällt es mehr und mehr. Jahrzehntlang war der Ort verschlossen für die Öffentlichkeit. Aber vor kurzen hatten wir die Möglichkeit, das Schloss zu betreten. Nun begeben wir uns auf Spurensuche, um herauszufinden, was mit diesem historischen Ort passiert ist, der durch eine Hexengeschichte berühmt gewurden ist.​​

Schloss Vitzenburg #02 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Die Geschichte dieses Ortes im Herzen Deutschlands geht bis ins 9. Jahrhundert zurück. Damals wurde an genau derselben Stelle bereits eine Burg errichtet. Anfangs diente sie noch als Nonnenkloster. Einige hundert Jahre später beheimatete die Burg dann Mönche. Zu diesem Zeitpunkte gab es hier nur das Schloss und die Gutsgebäude. Heute steht daneben ein ganzes Dorf mit etwa 230 Menschen. ​


Schloss Vitzenburg #22 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Ein riesiger Innenhof gehört zum Gebäudeensemble. Und ebenso eine weitläufige Parkanlage. In einem Teil befinden sich der Pferdestall mitsamt Reithalle.Schloss Vitzenburg kann mittlerweile mit Genehmigung besichtigt werden. Mit einem Schlüssel öffneten wir die Tür zum Seitenflügel des Gebäudes.

Schloss Vitzenburg #09 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Viel wurde jedoch nicht zurückgelassen. Besucher erwartet vor allem lange Gänge und leere Räume. Spuren des Verfalls gibt es im gesamten Schloss. ​

Oft wechselten hier die Burgherren, Adelsfamilien zogen ein und wieder aus. Im Laufe der Zeit wurde das Gebäude-Ensemble mehrfach umgebaut. Um Ackerbau und Viehzucht betreiben zu können, wurde es nach und nach erweitert. Die Gesamtfläche des Schlosses erstreckt sich heute auf über 20.000 Quadratmeter.​

Schloss Vitzenburg #03 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Der Eingangsbereich ist prunkvoll und vielfach verziert. Die Treppen sind besonders breit und komplett aus Marmor. Auch der erste Stock ist eindrucksvoll dekoriert wurden. Wie man auf dem Foto oben sieht. gibt es sogar teilweise verspiegelte Wände.


Schloss Vitzenburg #13 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Mehrere Salons mit meterhohen Stuckdecken legen nahe, dass hier einst die prächtigsten Feiern abgehalten wurden. Doch auch hier hinterlässt die Zeit ihre Spuren. ​

Im 20. Jahrhundert ging das Schloss in den Besitz der Adelsfamilie Münchhausen über. Diese ist bis heute bekannt für einen ihrer Vorfahren, der unter dem Spitznamen „Lügenbaron“ berühmt geworden ist. Baron Münchhausen lebte im 18. Jahrhundert. Er behauptete z.B., er hätte sich einmal mitsamt Pferd am eigenen Schopf aus einem Sumpf gezogen. Oder ein anderes Mal sei er auf einer Kanonenkugel geritten, um die feindlichen Stellungen in einer belagerten Stadt auszukundschaften. Oh, und um wieder zurückzukommen, stieg er dabei kurzerhand auf eine in die Gegenrichtung fliegende Kugel um. Halt die Dinge, die man früher so gemacht hat.​

Schloss Vitzenburg #06 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Und dann kam der 2. Weltkrieg. Die Adelsfamilie entschied sich dazu, Flüchtlinge aufzunehmen. Davon gab es jede Menge, denn immer mehr Menschen kamen aus dem Osten. Sie flohen vor den sowjetischen Truppen. Bis Kriegsende war das Schloss bis unters Dach gefüllt mit Flüchtlingen. Fast 200 Menschen teilten sich das Gebäude gleichzeitig. Und der Gutsherr stellte fast alle Räumlichkeiten den Flüchtlingen zur Verfügung.

Bis zum April 1945. Auf einmal standen amerikanische Panzer vor den Toren. Die alliierten Soldaten besetzen das Schloss und jagten die Flüchtlinge hinaus.​

Schloss Vitzenburg #10 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Nur wenige Monate später kamen die nächsten Besatzer. Dieses Mal waren es die sowjetischen Soldaten. Während viele Adelige flohen, weil sie wussten, dass sie verfolgt werden, blieb der Baron des Schlosses da. Er hatte während der NS-Zeit kein Unrecht begangen. Außerdem hatte er geholfen, wo er konnte und dachte, er hätte nichts zu befürchten. Aber nein - weit gefehlt. Die Sowjets brachten ihn ins ehemalige Konzentrationslager Buchenwald. Nachdem es von den Nazis befreit wurde, nutzen es die sowjetischen Truppen für eigene Zwecke. Politische Gegner wurden weggesperrt, um den sozialistischen Gesellschaftsaufbau zu gewährleisten. Hier starb der Baron nur wenige Jahre später. Der Rest der Familie war zu dem Zeitpunkt bereits in den Westen geflohen. Der Grundbesitz der Familie wurde enteignet und an Neubauern und Landarbeiter aufgeteilt. Die Güter wurden nun durch einen Treuhänder verwaltet.

Kurz darauf, während der Zeit der DDR, gab es verschiedene Nutzungen für das Schloss. Als Jugendheim, Haushaltsschule und Landwirtschaftsschule. In dieser Reihenfolge. Schließlich wurde daraus eine Kinder- und Jugendpsychiatrie. Überreste aus der Zeit lassen sich noch in vielen Räumen finden.

Schloss Vitzenburg #16 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Bis dahin wurde Schloss regelmäßig von den Bewohnern gepflegt. Der Verfall beginnt erst nach der politischen Wende 1989. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wird die Psychiatrie im Jahr 1996 verlegt, bzw. geschlossen. Und das Schloss wurde für einen Spottpreis verkauft. Der neue Besitzer konnte die Parkanlage wiederherrichten. Jedoch ging er nur kurze Zeit später insolvent. Im Jahr 2004 musste das Schloss dann zwangsversteigert werden.

Der jetzige Schlossherr ist jedoch nie vor Ort. Er kümmert sich auch nicht um sein Anwesen und es verfällt bereits seit Jahren. In der Vergangenheit war das Gelände sehr belebt. Heute hat das Schloss nur noch wenige Besucher. Die Menschen in den umliegenden Orten sind entsetzt über den aktuellen Zustand ihres Wahrzeichens.

Schloss Vitzenburg #05 by Broken Window Theory, auf Flickr​

Doch glücklicherweise ist dies nicht das Ende der Geschichte. Im Jahr 2013 wurde das Schloss aus seinem Dornröschenschlaf gerissen. Denn es ist eine Traumkulisse für Filme! Die bekannte Kinderhörspielserie „Bibi und Tina“ wurde hier verfilmt. Es geht um die Abenteuer der Hexe Bibi Blocksberg auf einem Pferdehof. In den folgenden Jahren wurden hier gleich drei Fortsetzungen gedreht. Die Filme bringen wieder Leben ins Schloss, das seit Jahren verfällt.

Heute pilgern Fans der Kinofilme zum Schloss Vitzenburg. Für 2 Euro pro Person darf man sich den Hof anschauen. Für 20 Euro kommt man ins Schloss. Ob es das Geld wert ist, könnt ihr jetzt selbst entscheiden. Ein älteres Ehepaar lebt tagsüber in dem Wohnwagen auf dem Hof, wodurch auch spontane und unangemeldete Besuche möglich sind.


Was in der Zukunft aus dem Schloss wird, ist aktuell noch unklar. Der Besitzer ist bereit das Anwesen für rund 10 Millionen Euro zu verkaufen. Vorausgesetzt der Käufer hat ein gutes Konzept. Bis es jedoch soweit ist, wird das Schloss weiter verfallen. Dieser Gebäude-Komplex auf dem Weinberg war einmal Kloster, Burg, zu Hause, Zuflucht, Schule, Krankenhaus und Filmset. Doch nichts davon zählt mehr, wenn es auseinanderfällt und sich niemand traut, dieses Anwesen zu retten.


Wenn ihr jetzt noch von dieser Prachtbau sehen wollt, schaut gerne auf YouTube vorbei:

 
Ich bin mal wieder begeistert; auch von den ruckelfreien! Drohnenaufnahmen und vom Schnitt.
Was für ein Modell nutzt ihr für Eure Aufnahmen?

VG
Andreas
 
Danke für die Information BWT und Euch weiterhin interessante Objekte mit
guten, perspektivischen Aufnahmen :)

VG
Andreas
 
Ich war heute in der Nähe und schaute um die Mittagszeit mal vorbei. Es war sonnig und heiß.

Die Schlossanlage ist erstaunlich groß. Durch ein imposantes Tor kommt man direkt zum Campingwagen, die Schlossanlage kann man wie schon geschrieben für zwei Euro besichtigen. Netterweise gibt man noch eine kleine Spende, denke ich. Dafür darf man das Schlossensemble von außen und den Pferdestall von innen sehen. Ich war mehrfach verblüfft, zunächst davon, dass ich um diese Zeit nicht allein war. Da sprangen Touristen und semiprofessionelle Fotografen rum.

Das ist alles auch von außen recht beeindruckend, ich kann es empfehlen, wenn man da mal in der Nähe ist. Ansich ist das alles auch recht gut in Schuss - viel besser als 20 Jahre Leerstand vermuten lassen würden. Allerdings muss da dringend was zur Bauwerkssicherung gemacht werden, in den oberen Etagen sind einige Fenster raus.

Im Übrigen soll ich "dem Internet" bestellen, dass das mit den 20 Tacken eine Fehlinformation ist: Das Hauptgebäude kann man nicht besichtigen. Da bräuchte man Genehmigung "von höchster Stelle". Die Durchsage ist: Kann man nicht von innen besichtigen.

Ich habe auch noch eine Empfehlung für euch: Sucht euch eine Zeit aus, in der ihr da allein seid. Da stören dann keine anderen. Laufen nicht ins Bild oder so. Dann fotografiert man viel entspannter, ihre kennt das ja.

Das ist die offizielle Ansage der dortigen Aufsichtspersonen: Keine Besichtigung Haupthaus. Das müssen wir respektieren. Das steht jetzt hier öffentlich. Bitte keine Diskussion diesen Teil meines Beitrags, danke. (Wer was diskutieren möchte, PN.)

Unabhängig davon: Klare Empfehlung. Beeindruckendes Schloss. Nehmt etwas Zeit mit.
 
Danke für die Richtigstellung der Fehlinformation bzgl. des Preises und Deine wie immer
wertvollen Tipps lieber Martin.
Hast Du auch ein oder 2 schöne Aufnahmen vom heutigen Tag oder waren ständig zu
viele Leute im Bild?
Vielleicht ändert sich ja der Status mit dem Haupthaus demnächst wieder einmal.... zum x.-ten
Nichts ist beständig ;-)

Viele Grüße,
Andreas
 
Nachtrag zu meinem Beitrag, drei Fotos Bausituation (außen).

1 - Keine Bauwerkssicherung; gleichzeitig: Zu u/i Zeit hat jemand was am Fachwerk gemacht.

2 - DDR-Bausünde: Ach komm, Strom muss doch sein, hier nageln wir das hin!

3 - DDR-Bausünde: Die Kabel müssen irgendwie rein, nun mal nicht so zimperlich!

P.S: Lieber Andreas, es freut mich, dass Du jeden meiner Beiträge kommentierst. Das wärmt mein Herz.
 

Anhänge

  • 1.jpg
    1.jpg
    254,7 KB · Aufrufe: 20
  • 2.jpg
    2.jpg
    295,1 KB · Aufrufe: 24
  • 3.jpg
    3.jpg
    240,4 KB · Aufrufe: 26
P.S: Lieber Andreas, es freut mich, dass Du jeden meiner Beiträge kommentierst. Das wärmt mein Herz.

Jeden?? Tatsächlich! Wir liegen mit der Beitragsanzahl knapp nebeneinander. :wink:
Trotzdem: Du übertreibst mal wieder "maßvoll" lieber Martin.
Aber wenn es Dein Herz erfreut, so erfreut mich das auch :)

Zurück zum Bild 3. Das rundherum um den wunderschönen Bogen finde ich bemerkenswert.
Jede Trockenmauer vor meiner Haustür sieht esthätischer aus.
Waren das auch die Genossen oder ist dies ein Original der damaligen Baukunst?
 
Das haben eindeutig die Genossen auf dem Gewissen.

Zur baulichen Beschreibung:
Das Schloss hat einen klassischen Haupthof mit Zugangstor. Dabei hat das Schloss eine mehretagige Hangbauweise, nach Süden fällt es steil zur Unstrut hin ab. Leider habe ich einen Weg zu den unteren Etagen im Terrassenbau nicht erkannt.

Das Schloss hat ein klassisches Vorschloss - wegen der Lage zur Unstrut ist das Vorschloss aber HINTER dem Schloss (dort auch der Pferdestall und ein Lustpavillon), es gibt also vom Hauptschloss aus gesehen ein zweites Tor.

Dort, noch innerhalb des Bereiches des Hauptschlosses ist ein Laubengang. Hinten ist eine sehr sehenswerte hölzerne Wendeltreppe, immerhin hat die die Zeitläufe überlebt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Laubengangs, direkt am zweiten Tor - da fanden die Genossen angemessen, die Hauptstromversorgung an die Wand zu nageln. Boah, unfassbar. Das kommt im Foto nicht so gut rüber, das ist fast noch schlimmer als der Portaldurchbruch.

Das Sandsteinportal selbst scheint mir original. Was man von den dann durchgepfuschten Kabeln schwerlich behaupten kann. Bei der Wand hinter dem Portal ist das unklar: Vermutlich war das ursprünglich ein freier Durchgang, immer mal wieder auf- und zugemacht. Mit wenig tauglichen Mitteln, wie man deutlich sieht.

Der nun wirklich unterirdische Portaldurchbruch ist schwer zu datieren: Auf den ersten Blick ist das noch DDR, auf den zweiten Blick auch: DDR-Kabelverlegung durch ein Portal. Das Equipement ist eindeutig DDR. Die Kabel sind DDR, nun neuerdings mit Siemens-Lufthaken. Der Sandstein links unten könnte eher neu sein - aber datiere mal Sandstein ... das könnte auch aus DDR-Zeit stammen.

Summarisch:
Klar ist das ganz übler Pfusch. Aber das Geld hat offensichtlich nicht gereicht, mal so richtig rumzupfuschen: Das komplette Ensemble macht einen recht guten, sanierungsfähigen Eindruck. - Wenn die 45 Millionen an mich ausgekegelt worden wären - hätte ich genau jetzt einen Plan.

P.S: Hatte ich schon gesagt, dass ich Dich auch liep hab?
 
Oben