Pervomaysk: Raketensilo-Museum / Museum of Strategic Missile Troops / SS-24 Scalpel

Um nochmal zum Thema Kaltstartfähigkeit und der durch den Westen abgeleiteten Nachladefähigkeit zu kommen. Heute liegen dazu Informationen vor die damals der Öffentlichkeit unzugänglich waren … Hierbei möchte man allerdings erwarten das deren Analytiker sich grundsätzlich mit der nuklearen Infrastruktur der strategischen Raketentruppen beschäftigt haben. Und im Detail beispielsweise über Beweise zur Existenz eines zweiten Schusses verfügten. In der Tat, irgendwo müssen ja die Träger, die Köpfe, die Treibstoffe und die notwendige Transport- und Beladetechnik bevorratet gewesen sein. Da ja gerade bei den strategischen Raketentruppen alles irgendwie immer etwas größer ausfällt kann so etwas nicht verborgen geblieben sein. Sofern überhaupt jemals existierend.

Das muß ich nochmal hochholen. Möglicherweise waren die Formulierungen von @Nelson damals zu absolut zum Thema, bezogen sich zu sehr auf die technische Seite. Mir lief aktuell das Buch 'Sowjetische Rüstung (Soviet Military Power) 1985 - Bernard & Graefe Verlag • 5400 Koblenz' über den Weg. Im Kapitel II Nukleare Angriffspotentiale steht auf Seite 35 rechts »

Die Sowjets bilden das Personal ihrer strategischen Raketentruppen mit dem Ziel aus, jederzeit einsatzbereit zu sein. Dies äußert sich darin, daß sowjetische FK-Bedienungen regelmäßig die Eventualfälle des Präventivschlags, des Starts während eines Angriffs oder des Zweitschlags üben. Des weiteren gehören zur Ausbildung der Bedienungsmannschaften die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft und der erneute Einsatz der bei einem Gegenangriff nicht vernichteten Silos. Gemäß den Forderungen der sowjetischen Nukleardoktrin werden die FK-Bedienungen dazu ausgebildet, ihren Auftrag in jedem Eventualfall zu erfüllen.

An anderer Stelle wird hervorgehoben das die dafür erforderlichen Lagerkapazitäten - wie oben aufgezählt - vorhanden sind und ausgebaut werden.

FK » Flugkörper

Ein weiteres Zitat aus diesem Buch steht dazu in #71 von Büttner
 
Sind ja mittlerweile 6 Jahren vergangen, die Fragestellung betreffend. Mehr als einmal wieder vor Ort gewesen, auch bei der anderen Division.
Da komme ich zum Schluss das kein 2. Schuss vor Ort verfügbar war. Natürlich gab es (ungeschützte) Infrastrukturen zur Trägerlagerung. Diese Kapazitäten geben aber keinen 2. Schuss für alle Silos her. Nur für einige wenige. Vorsichtig geschätzt nicht mal zweistellig. Ich tippe eher auf Träger für die Ausbildung und Umlaufreserve.
Ich vermute Fehlinterpretation auf westlicher Seite oder Falschinformation basierend auf Unschärfe.
 
Ich bin kein Spezialist für strategische Raketen und habe während meines Studiums auch nichts darüber gehört.
Wenn es Raketen für einen Zweitschuss gegeben hätte, sollten diese logischerweise genauso gut geschützt gelagert worden sein wie die für den Erstsschuss, also vermutlich auch in Silos (gleicher Schutzgrad), natürlich ohne die für die Vorbereitun und den Start erforderlichen technischen Einrichtungen. Gleiches gilt für die Lagerung der Gefechtsköpfe und die Treibstoffkomponenten. Selbst die Lagerung/Abstellung der Technik für die Ent-/Beladung der Silos und den Transport der Komponenten müssten dem gleichen Schutz unterliegen wie auch die Raketen selber. Anders macht es ja keinen Sinn. Nicht zu vergessen der Zeitfaktor: macht die Dauer für den Prozess des Nachladens (Entnahme der Rakete aus dem Lagersilo, Transport zum Startsilo, Bestückung mit Gefechtskopf und Betankung) überhaupt noch Sinn für einen zweiten Schuss? Ich glaube eher nicht.
 
Entnahme der Rakete aus dem Lagersilo
Es gab/gibt kein "Lagersilo". Ungeschützt heißt wirklich ungeschützt. Eine garagenartige Halle aus Betonfertigteilen. Na gut, statt Asbestdach auch Betonfertigteile.
Mit der Unterbringung der Transport- und Beladetechnik habe ich mich nicht beschäftigt.
 
ich glaube ein Silo ist nach einem Start nicht mehr benutzbar, die extreme Temperaturbelastung zerstört das komplette Innenleben des Schachtes, würde mich nicht wundern wenn der Boden des Silos danach Aussieht wie der Kern aus Block IV in Tschernobyl....

Grüße
 
ich glaube ein Silo ist nach einem Start nicht mehr benutzbar, die extreme Temperaturbelastung zerstört das komplette Innenleben des Schachtes, würde mich nicht wundern wenn der Boden des Silos danach Aussieht wie der Kern aus Block IV in Tschernobyl....

Grüße
Bei diesen Silos wird das sog. Kaltstartverfahren benutzt. Nutze das Wort bitte mal als Suchbegriff hier im Forum.

Jedenfalls führt dieses Startverfahren dazu das im Silo nichts beschädigt wird. Das war vor paar Jahren auch der Inhalt der Diskussion dazu. Also Kaltstartverfahren = 2. Schuss? Letzter Stand war wimre eher nein.
 
Danke @Stefan, hab nachgelesen, kenne das ja von Schiffs-Videos, Rakete "ploppt" raus, fast schwerelos/taumelnd und erst nach etwas Verzögerung startet das Triebwerk..., hätte es aber niemals nicht geglaubt das dies mit einem solchen Gewicht möglich sein sollte, was wiegt die? Voll betankt? für mich unglaublich! Die Druckkraft um diese Masse raus zuschieben und auch noch auf x Meter Höhe zu schleudern... kann ich mir nicht vorstellen das dann das Silo nicht einen Knacks bekommt.... Ach so, die Technik für den Kaltstart? Ich muss die Rakete also so in das Silo packen das sich darunter ein Gasdruck aufbauen kann, also hat man das Druckmedium(Gas) von außen in den Behälter gedrückt? oder hat die Rakete das selber "mitgebracht"? geht doch nur wenn man einen "Korken" hat unter dem sich der Druck aufbaut, wo ist dann aber der Korken? Die Rakete als "Korken" schließe ich aus, da dann der Schleuderdruck nicht aufgebaut werden kann, das Gas würde neben der Rakete nach oben ausströmen. Außer sie passt wie ein Projektil in einen Gewehrlauf, die Silos die ich kenne sind so aber nicht gebaut. Starttisch als Korken? Oder im Transportbehälter Druck aufbauen? Alles zu chaotisch für mich. Meine Meinung Heute: Das Kaltstartverfahren halte ich bei diesem Raketentyp auf Grund der zu großen Masse für nicht möglich. Bin gespannt was da noch als Informationen kommt...


Auch ist das weiter oben beschriebene "anschrägen" in Zielrichtung unglaublich, bei 30m Länge ist da kein Platz, bei 1 Grad Neigung über die Länge?! das passt nicht

Grüße

BSP. Start aus Behälter https://www.youtube.com/watch?v=TUKZR-u6uOQ man sieht an den unterschiedlichen Abgasfarben, erst Kaltstart, dann startet das Triebwerk der Rakete
 
hilft perfekt weiter! Danke schön! Sehr aufschlussreich, dachte immer die "nackte" Rakete steckt im Schacht, aber sie steht in der Transportbox, Stufe 1 für Kaltstart wird abgeworfen, Kalt war für mich also missverständlich... nun ist alles klar! ( 34 Meter und 211 Tonnen wären auch nicht anders zu bewegen)

Nochmals zum Nachladen, macht es denn überhaupt Sinn ins Silo nachzuladen? Warum nicht gleich abfeuern? Spart super viel Zeit, oder kann dieses Modell nur aus dem Silo gefeuert werden? (Zug? siehe oben) Wenn Abschuss ohne Silo möglich, dann ist nachladen quatsch, da das vorherige Schützen der Waffe durch das Silo zu diesem Zeitpunkt entfällt. Es geht nur noch darum schnellstmöglich eine weitere Rakete abzufeuern...

Grüße
 
Raketen im Kaltstartverfahren lassen sich nur aus der Röhre starten. Entweder ist die Röhre im Silo oder im Eisenbahnwagen aufgerichtet.
Die größte ICBM die sich normal auf einem Starttisch vom Boden aus starten ließen war die SS-7.
 
Nochmals zum Nachladen, macht es denn überhaupt Sinn ins Silo nachzuladen? Warum nicht gleich abfeuern?

Thomas, du hast selbst hier im Forum relativ unscheinbare Bodenmarkierungen für die Startplatz-Zentrierung und -Ausrichtung einer SS-12 gepostet. Das Prinzip ist für Silo analog. Besser gesagt Ziele ließen sich nur für bekannte & festgelegte Startplätze im Voraus programmiert eingeben. Jedenfalls damals.

Stefan » ich erlaube mir mal die stark vereinfachende Formulierung: Kaltstart ist sowas wie Sektkorkenstart.
 
Raketen im Kaltstartverfahren lassen sich nur aus der Röhre starten. Entweder ist die Röhre im Silo oder im Eisenbahnwagen aufgerichtet.

Oder in einem U-Boot/auf einem Schiff, das Kaltstartverfahren wurde aus meiner Sicht speziell dafür entwickelt. Ich will ja mein Boot nicht beim ersten Raketenstart selbst versenken. Eisenbahn- und Silo-Startplätze konnten dann gemäß dieses Verfahrens konzipiert/modifiziert werden.
 
In der damaligen Diskussion kam zum Kaltstartverfahren zum Ausdruck das es bei den Silos deswegen so gemacht wurde weil die Raketen größer wurden. Die passten nicht mehr in die alten Silos rein. Da war dann kein Platz mehr gewesen für die Umlenkung des Raketenstrahls. Das war dann also rein den Platzproblemen geschuldet.

Das mit den Unterseebooten ist auch eine, tatsächlich viel ältere, Art von Kaltstartverfahren.

Kaltstartverfahren gibt es auch bei der Flugabwehr.

Also im Prinzip immer dann wenn eine Rakete aus einer Röhre verschossen wird.

Damals, das blieb in der Diskussion wohl offen, ging es auch um die These ob das Kaltstartverfahren vom Westen fehlinterpretiert wurde als Nachlademöglichkeit für einen 2. Schuss. Darum geht es ja auch hier aktuell.
 
hilft perfekt weiter! Danke schön! Sehr aufschlussreich, dachte immer die "nackte" Rakete steckt im Schacht, aber sie steht in der Transportbox, Stufe 1 für Kaltstart wird abgeworfen, Kalt war für mich also missverständlich... nun ist alles klar! ( 34 Meter und 211 Tonnen wären auch nicht anders zu bewegen)
Naja, ganz so einfach scheint mir das dann doch nicht - die Physik wird auch Kolja nicht überlistet haben:

Stichwort Impulserhaltungssatz, Trägheitssatz: Um 200 Tonnen nach oben zu bewegen, brauchst Du eine Gegenkraft, die etwas größer als 200 Tonnen ist. Diese Gegenkraft ist diese komische Kaltstartstufe. Ok, so weit ist die Sache bei Nachdenken schon klar.

In dem Moment drücken also mehr als 200 Tonnen Kraft in den Container - auch noch klar. Aber jetzt wird es spannend: Nun muss der Container mit dieser Kraftwirkung auch irgendwo hin! Ja, natürlich - nach unten auf das Bauwerk!

Will sagen: das Kräfteverhältnis ist faktisch gleich zu einem Heißstart. (Allerdings hast Du die Hitzewirkung nicht und auch keinen Ärger mit dem vielen Gas.)
 
Ja richtig @Martin, der Schub der Kaltstartstufe drückt auf die untere Seite der Transportbox die im Silo hängt, wenn die Zeichnung aus Passengers Link die Realität zeigt, ich war ja in meinem vorherigen Beitrag mehr als offen das anzuzweifeln, weil, wie dort geschrieben, mir die Kräfte als zu gross erscheinen, deswegen mein Fazit damals. Nun bin ich aber bei euren Ansichten und kann mir das nun vorstellen.

Aber wenn ich "aufgelegt" hab bin ich wieder am zweifeln....

1. Im Fall des Falles, hätte man alles komplett losgeschickt? Oder erstmal nur ein paar wenige und abgewartet? Ich denke doch wenn es los geht, alles komplett raus, oder? Man wartet doch nicht auf Reaktion und je nachdem wie die ausfällt , gehen die nächsten auf die Reise?

2. Daraus folgt, jede (Silo) Rakete wusste schon lange vor dem Start wo sie treffen soll, also es war genau festgelegt wo welche hin sollte, aber schon Monate vorher. Da wurde nicht lange debattiert im Ernstfall und programmiert.... Also Standort blau , ziel Stützpunkte 1 , 2, 3 4 , Standort rot Städte w, x, y, z, usw... Die Menge der Silos entsprcht also genau so vielen festgelegten Zielen...Und irgendwann kommt raus wohin die o.g. Basis gefeuert hätte....und noch etwas später gibts eine Karte mit allen festgelegten Zielen und den dazugehörigen Abschussbasen.....Gibt es dazu Hinweise in eurer Literatur?

Grüsse
 
2. Daraus folgt, jede (Silo) Rakete wusste schon lange vor dem Start wo sie treffen soll, also es war genau festgelegt wo welche hin sollte, aber schon Monate vorher. Da wurde nicht lange debattiert im Ernstfall und programmiert.... Also Standort blau , ziel Stützpunkte 1 , 2, 3 4 , Standort rot Städte w, x, y, z, usw... Die Menge der Silos entsprcht also genau so vielen festgelegten Zielen...Und irgendwann kommt raus wohin die o.g. Basis gefeuert hätte....Gibt es dazu Hinweise in eurer Literatur?

So wurde es uns während der Führung erzählt. Jede Rakete besaß fest hinterlegte Zielkoordinaten (und dafür eine entsprechend berechnete Menge an Festtreibstoff).

BG
Martin
 
O.k. dann passt das mit meiner Vorstellung über die Abschuss Taktik.


Dumm ist nur wenn der Gegner die Ziele meiner Basis kennt, mich vor Abschuss zerstört, also müsste ich doch wieder 2 getrennte Basen für besonders wichtige Ziele haben....Also Sekundär Ziele programmieren?
Grüsse
 
Im Museum gibt es eine Karte mit allen Abschussbasen der 46. Raketen Division. Es sind 9 Bereiche um Perwomajsk und Kropywnyzkyj mit jeweils 10 Silos (zumindest interpretiere ich die in der Karte verzeichneten Punkte so) und dann noch zwei etwas abgesetzte Bereiche weiter nördlich, die gestrichelt eingezeichnet und mit польовий район bezeichnet sind. Vielleicht sind das ja Ausweichstellungen. Im Text steht 40x SS-19 und 46x SS-24, macht zusammen 86 Raketen. Die Raketen konnten mit Mehrfachsprengköpfen (SS-24: Mehrfachsprengkopf (MIRV) von 10 Sprengköpfen mit je 550 KT) ausgestattet werden. Wenn man es zusammenaddiert hätte so gleichzeitig eine stattliche Anzahl von Zielen bekämpft werden können. Entweder gab es auch Sekundärziele oder Primärziele wurden mehrfach programmiert. Zusätzlich zu den stationären Basen gab es ja noch die beweglichen Einheiten.

Gruß Klaus
 
So wurde es uns während der Führung erzählt. Jede Rakete besaß fest hinterlegte Zielkoordinaten (und dafür eine entsprechend berechnete Menge an Festtreibstoff).

BG
Martin

Wurden die nicht mit Flüssigantrieb geschossen @Martin? Also Menge betankt?

Nachtrag @Frank, ich wusste nicht das die Startringe auch für solch (große) Raketen genutzt wurden, danke für Hinweis!

Bei dieser Anzahl von Silos, wie viele von den zylinderförmigen Kommandopunkten im Schacht gab es? Ist das bekannt? Bei diesen kann ich mir gut vorstellen das diese evtl. gegen Raketen getauscht werden konnten, gibt es denn Hinweise auf Lagerung, irgendwelche passenden Bauwerke bekannt, oder wurden diese nur mobil vorgehalten? (war glaube oben schonmal Thema, Transportzeit und so....)

Grüße
 
Die SS-19 wird mit Flüssigtreibstoff, die SS-24 mit Festtreibstoff angetrieben.
Jedes Raketenregiment hatte dort 10 Raketen, also Silos. In einem Silo eine Rakete. Neben einem der Raketensilos gab es ein zweites Silo, für den Gefechtsstand. Nur dafür. Nicht anders nutzbar. Nicht jeder Gefechtskopf hatte ein Ziel am Boden, einige waren Täuschkörper.
Bitte mal auf Seite 1 dieser Diskussion schauen....
Ebenerdige Startringe zur Verankerung von Starttischen für ICBM nur bis maximale Größe SS-7.
PS: Die Unterbringung der Raketen in Silos gewährleistet die Zweitschlagsfähigkeit. Die Silos halten die Detonation einer gegnerischen ICBM aus. Theoretisch jedenfalls.
 

Anhänge

  • ICBM-Tankwagen.jpg
    ICBM-Tankwagen.jpg
    227,7 KB · Aufrufe: 13
Oben