(7) @Skynet: Zur Frage: Was wusste das MfS von diesen Transporten und was wusste es nicht, gibt es auf der Webseite von
Mario Hoffmann ein interessantes Zitat (Stand: 12.01.16, 04:10):
„Auf den Schienenwegen der Deutschen Reichsbahn erfolgen jährlich mehrmals Transporte von Kernmaterial der GSSD. Diese werden vom Oberkommando der GSSD beim Ministerium für Verkehrswesen der DDR, Bereich "Spezielle Transport- und Bauaufgaben" als Sondertransporte mit erhöhtem Sicherheitserfordernis avisiert, ohne jedoch über die spezielle Ladung zu informieren."
Er zieht daraus den Schluss:
„Damit wäre klargestellt, dass die DDR über diese Transporte und deren Streckenführung (Verlade- und Zielbahnhof) informiert war.“
Das Gegenteil ist der Fall. Quelle für dieses Zitat ist BStU MfS HA II 20941, Blatt 1 (das wird leider nicht ordentlich nachgewiesen, was ungeschickt ist, weil die BStU-Leute bei sowas leicht fuchtig werden). Es belegt gerade, dass das MfS zwar – wie bei vielen anderen M-Transporten auch – über den Fahrplan informiert war, aber von den Sowjets nichts über den heiklen Inhalt dieser Züge erfuhr. Das Zitat stammt aus einem Schreiben vom 14.11.88, entstand also mehr als ein halbes Jahr nach den erfolgreichen Messungen. Der erste Satz „Auf den Schienenwegen der Deutschen Reichsbahn erfolgen jährlich mehrmals Transporte...“ ist das Ergebnis der eigenen Arbeit (des „Hinterherspionierens“, um es einmal so zu sagen), d.h. noch Anfang 88 hätte ihn das MfS nie so formulieren können.
Beweis: Schon deutlich früher, am 18.03.88, gibt es eine Zusammenfassung der HA II / 4 zu der ganzen Geschichte. Zitat:
„Durch zielgerichtete analytische Maßnahmen und operativ-technische Überprüfungen wurde festgestellt, dass auf den Schienenwegen der DR der DDR jährlich mehrmals Transporte von Nuklearwaffen SU / DDR bzw. DDR / SU stattfinden.“ (BStU MfS HA II 24232 Blatt 4). Ich wiederhole: Durch zielgerichtete analytische Maßnahmen und operativ-technische Überprüfungen wurde festgestellt… Durch eigene Nachforschungen haben sie es herausgefunden. Mehr / anderes wurde nirgendwo behauptet.
(8) @all: Ich werde mich zu diesem überaus spannenden Thema hier nicht mehr weiter äußern. Die Quellen liegen auf dem Tisch und sind für jedermann einsehbar. Es ist auch nicht meine Aufgabe, das geschlossene Weltbild von Leuten zurechtzurücken, die offenbar keinen Wert darauf legen, es zurechtgerückt zu bekommen. *kurz den Blödelmodus anschalt, ausschalt. Tatsächlich drängt sich der Eindruck auf, dass es vielfach nicht darum geht, über den eigenen Tellerrand zu gucken und evtl. etwas dazuzulernen, sondern vor allem darum, eigene Vorurteile bestätigt und die Welt, die Geschichte in bekannte Schablonen gepresst zu bekommen.
Noch kur(t)z zu der bereits erwähnten
Webseite: Einiges an der dortigen Darstellung halte ich für ziemlichen Humbug. Beispiele (alles Stand 12.01.16, 04:10):
Zitat:
„Diese "Nuklearwaffentransporte" und die damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen waren für die zuständigen Abteilungen des MfS eine notwendige Aufgabe, die vertraglich geregelt war um u.a. die Spionage gegnerischer Dienste abzuwehren und dem Schutz der Transporte hinsichtlich der Unfallverhütungsvorschriften.“
Selbstverständlich gab es Regelungen für den Schutz von / die Verfahren bei M-Transporten der Sowjetarmee. Von Nuklearwaffentransporten via Eisenbahn ist dort aber niemals die Rede und von Unfällen bzw. Havarien in diesem speziellen Fall schon gar nicht – wie auch, wenn der Inhalt der Transporte von der GSSD totgeschwiegen wurde. Auch das war überhaupt erst ein Ergebnis der Messungen des MfS, die Erkenntnis,
„dass im Falle einer Eisenbahnhavarie mit einer möglichen Beschädigung des Nuklearsprengkopfes erhebliche Sicherheitsrisiken für die Bevölkerung auftreten können“ (BStU MfS HA II 24232 Blatt 5). Das war vorher zwischen GSSD und MfS oder wem auch immer m.W. niemals Thema gewesen.
Zitat:
„Wenn ein Transport avisiert wurde, sind die dafür erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld besprochen und von beiden Seiten akzeptiert worden. Auch wenn vom MfS eine Veränderung im Transportregime gefordert wurde, um Unfällen vorbeugen zu können.“
Die Sicherheitsanforderungen der GSSD wurden von deutscher Seite erfüllt, mitzureden gab es da nichts. Vor Mitte 89 kann gar nicht die Rede davon sein, dass die sowjetische Seite auf Forderungen des MfS nach “Veränderungen im Transportregime“ einging. Diese Forderungen wurden ja überhaupt erst laut, als die HA II allmählich begriff, was da mehr oder weniger häufig quer durch ihr Land kutschiert wurde. Dann entstanden ganze Kataloge von Ideen, wie man das besser, sicherer und vor allem weniger schlampig bewerkstelligen könnte. Dazu noch ein Zitat:
„Desweiteren wird durch verantwortliche Genossen des MfV kritisiert, dass ihre bei der Verwaltung Militärtransportwesen eingebrachten Vorschläge und Hinweise zur Erhöhung von Sicherheit und Geheimhaltung vielfach keine Berücksichtigung fanden, wobei sich die sowjetischen Genossen vielfach auf „Moskau“ berufen.“ Das ist aus einer internen Besprechung ca. 25.10.89, BStU MfS HA XIX 9016, Blatt 3. Da war die DDR schon so gut wie tot.
Das war das Schlusswort meinerseits. Fassen wir zusammen: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ :chuncky:
Grüße
K.