Kaliningrad: Putin stationiert Raketen für Atomsprengköpfe

Martin Kaule

Administrator
Kommt jetzt der Kalte Krieg zurück?


Der russische Staatschef Wladimir Putin (61) hat nach BILD-Informationen aus Sicherheitskreisen seine Drohung wahr gemacht und als Antwort auf den europäischen Raketenabwehrschirm mehrere Kurzstreckenraketen vom Typ „Iskander – M“ (Nato-Code: SS-26 Stone) nahe der polnischen Grenze in der russischen Ostsee-Enklave Kaliningrad stationiert

Quelle und mehr: http://www.bild.de/politik/ausland/...pfe-nahe-polnischer-grenze-33848846.bild.html

BG
Martin
 
Hat das jetzt eigentlich so lange gedauert weil das Waffensystem zuvor noch nicht einsatzbereit, verfügbar war? War ja vor Jahren schon mal Thema hier im Forum.
 
Ich denke, dass man bei Meldungen der BILD-Zeitung erstmal ein wenig skeptisch bleiben sollte.
Die Meldung, auf die Martin verlinkt hat, führte zwar in Kreisen der NATO und in ziemlich hohen politischen Kreisen der baltischen Staaten gleich zu wilden Statements. Aber da wird lediglich reflexartig die schon vor vier oder fünf Jahren in die Gänge gebrachte Diskussion über die ISKANDER-Stationierung als Gegenmittel gegen einen US-amerikanischen Raketenabwehrschild wieder aufgegriffen. Offenbar hat sich aber bislang noch keiner Gedanken darüber gemacht, ob denn die BILD-Meldung überhaupt den Tatsachen entspricht. Heute beginnt bei BILD das große Eiern -> http://www.bild.de/politik/ausland/...niert-raketen-an-eu-grenze-33885032.bild.html . Bitte nicht von der vorgeblichen BILD-Euphorie täuschen lassen (von wegen Bestätigung der Ente und so). Was Russland angeblich bestätigt hat, entspricht keineswegs dem Inhalt der ersten Meldung der BILD-Zeitung. Jetzt heißt es nämlich nicht mehr, dass ISKANDER-Raketen in der Region Kaliningrad stationiert wurden. Sie wurden vielmehr im westlichen Militärbezirk Russlands stationiert. Da gehört zwar das Gebiet um Kaliningrad auch dazu ( http://ru.wikipedia.org/wiki/Западный_военный_округ_(Россия) ). Aber laut BILD wurden die ISKANDER-Raketen ja schon vor 12 Monaten entfaltet. Zu dieser Erkenntnis muss man der BILD-Zeitung wirklich gratulieren. Fakt ist nämlich, dass die Umrüstung der 26. Raketenbrigade der 6. Armee des jetztigen russischen Militärbezirks West schon 2010 begann und 2011 abgeschlossen war. Stabssitz der 26. RBr ist Luga südlich von Sankt Petersburg. Damit sind schon seit 2011 12 Startrampen für ISKANDER-M-Raketen in der Nähe der EU-Außengrenze zu den baltischen Staaten stationiert. Um diese Information zu erhalten, bedarf es allerdings keiner geheimen Satellitenbilder. Das steht ausführlich seit geraumer Zeit im Internet ( http://ru.wikipedia.org/wiki/Исканд....BE.D1.80.D1.83.D0.B6.D0.B5.D0.BD.D0.B8.D0.B8 ). Die Startrampen der 26. RBr haben auch an den beiden letzten Paraden zum Tag des Sieges in Moskau teilgenommen. Und wer sich den Original-Kommentar der russischen Fernsehsender antut, ist schon seit 2012 besser als BILD informiert.

Nach meiner überschlägigen Kontrolle der verlässlichen Internet-Quellen ist die 152. RBr im Gebiet Kaliningrad (genauer: Tschernjachowsk) weiterhin mit dem Raketenkomplex 9K79-1 TOTSCHKA-U ausgestattet. Daran wird sich wohl so schnell auch nichts ändern. Denn nach aktuellen Verlautbarungen der russischen Medien sollen zwar bis 2018 alle Raketenbrigaden der russischen Landstreitkräfte auf ISKANDER-Komplexe umgerüstet werden. Die 152. RBr gehört aber nicht zu den russischen Landstreitkräften sondern zur Küstenverteidigung der Baltischen Flotte.

Zu Büttners Frage: ISKANDER im Raum Kaliningrad zu stationieren, scheint für die russische Seite auch im Hinblick auf die politische Brisanz gegenwärtig nicht mehr vordringlich zu sein. Da hat man Mitte des Jahres 2013 die Umrüstung der 107. Raketenbrigade im Fernen Osten offenbar für wichtiger gehalten. Dass der Zulauf der ISKANDER-Komplexe seit 2011 relativ langsam verläuft, ist in erster Linie eine Geldfrage.
 
Satire-Schalter auf "ON"

"Dem Reporter einer großen deutschen Tageszeitung ist es gelungen, geheimstes Videomaterial aus geheimsten Geheimdienstquellen zu beschaffen, das die aktuellen russischen Angriffsvorbereitungen mit ISKANDER-Raketen im Kaliningrader Oblast nun endgültig belegt. Zur Verwirrung von nicht-eingeweihten Kreisen werden im Videomaterial ständig die Worte "Leningrader Oblast" eingeblendet. Aber die investigativ bestens geschulten Mitarbeiter der großen deutschen Tageszeitung sind durch derart simple Tricks nicht zu beeindrucken. Sie reißen mit ihrer hervorragenden journalistischen Recherchearbeit einmal mehr dem Putin-Hegemonismus die Unschuldsmaske vom Gesicht."

PS (zwei Tage später): "Aus bislang völlig ungeklärten Gründen hat das geheime Videomaterial, von dessen heldenhafter Beschaffung eine große deutsche Tageszeitung vor zwei Tagen berichtete, schon am 2. Januar 2012 seinen Weg auf eine namhafte Video-Internetplattform gefunden ( http://www.youtube.com/watch?v=kI937Mm2pyg ). Die Chefredaktion der großen deutschen Tageszeitung prüft nunmehr rechtliche Schritte gegen die Verursacher derart geschäftsschädigenden Verhaltens."

Satire-Schalter auf "OFF"

Der obige Link führt zu einem Video, das u. a. einen Bericht über die Übungstätigkeit der 26. Raketenbrigade mit dem Raketenkomplex ISKANDER-M auf dem Lugaer Polygon enthält. Wer genau hinschaut, wird in dem Video auch genau die Einstellung erwischen, bei der das Foto für die bereits genannten BILD-Artikel entstanden ist.
Das gezeigte Videomaterial ist also inzwischen fast zwei Jahre alt und es entstand tatsächlich auf dem Lugaer Polygon südlich von Sankt Petersburg, auf dem übrigens auch zahlreiche Absolventen der Kalinin-Militärakademie Leningrad der NVA praktisch ausgebildet wurden. Zur Beruhigung aller Beunruhigten: Die direkte Entfernung zwischen dem Lugaer Polygon und der Bundeshauptstadt ist deutlich größer als die maximale Reichweite der ISKANDER-Raketen.
 
Zu Büttners Frage: ISKANDER im Raum Kaliningrad zu stationieren, scheint für die russische Seite auch im Hinblick auf die politische Brisanz gegenwärtig nicht mehr vordringlich zu sein. Da hat man Mitte des Jahres 2013 die Umrüstung der 107. Raketenbrigade im Fernen Osten offenbar für wichtiger gehalten. Dass der Zulauf der ISKANDER-Komplexe seit 2011 relativ langsam verläuft, ist in erster Linie eine Geldfrage.
Danke für die ausführliche Beantwortung meiner Frage. Also ändert sich erstmal nichts. In Gedanken war ich schon weiter. Wie wäre das Zeug in den Kaliningrad Oblast gekommen, mit der Eisenbahn, mit dem Flugzeug, mit dem Schiff und wenn ja über Baltijsk oder Kaliningrad.
 
Putin rückt Raketen näher an Deutschland heran

Russland lässt mobile Abschuss-Systeme an den EU-Grenzen stationieren und markiert damit seine geostrategische Interessenzone. Nicht nur im Baltikum, in Polen und der Ukraine wachsen die Sorgen.
Gerade hat Wladimir Putin eine betont defensive Rede an die Nation gehalten: Man wolle keine Supermacht sein, niemandem vorschreiben, wie er zu leben habe, und suche friedliche und politische Lösungen für die Konflikte im russischen Interessenbereich.

Die Taten des russischen Präsidenten allerdings sprechen eine deutlich andere Sprache. Er übt politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Ukraine aus – manche Beobachter nennen das Erpressung –, damit das wichtige Bruderland nicht aus der Phalanx ehemaliger Sowjetrepubliken ausbricht und sich auf den Weg nach Kerneuropa macht.

Es ist die berüchtigte Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik des Kreml. In Bezug auf die Ukraine bedeutet das: Stark subventionierte Gaslieferungen und ein Gas-Pipeline-Konsortium. Als Gegenleistung erwartet Moskau unbedingte Loyalität. Europa ließ sich auf ein Geschacher um Kiew nicht ein. Die Assoziationsverträge wanderten wieder in die Brüsseler Schubläden.

Nun verschärft Russland die Gangart. Neben seiner wirtschaftspolitischen Macht sollen die Europäer nun auch die militärische spüren. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wurden mehrere Kurzstreckenraketen vom Typ "Iskander" näher an die Grenzen zur Europäischen Union verlegt.

Eberswalde im Radius der Iskander-Raketen

Ein Ministeriumssprecher sagte, Iskander-Raketensysteme seien in der "Militärregion West" stationiert worden. Die umfasst nach dem Muster russischer Militärzonen sowohl die russische Exklave Kaliningrad als auch die Hauptstadt Moskau und die Metropole St. Petersburg. Im Süden reicht die Zone bis zur Ukraine. Wenn die mobilen Abschusssysteme an der Grenze zu Weißrussland oder der Ukraine in Marsch gesetzt werden, befinden sich im Radius der Raketen große Landesteile beider Staaten, von Kaliningrad können Raketen deutschen Boden erreichen und etwa Eberswalde in Brandenburg treffen.

Sämtliche angrenzenden Staaten sind in Sorge. Das polnische Außenministerium erklärte, "Projekte zur Verlegung von Iskander-Raketen in die Region von Kaliningrad" seien beunruhigend. Dies habe Polen bereits "bei zahlreichen Anlässen deutlich gemacht". Warschau habe "keine offiziellen russischen Angaben zu der Frage" erhalten. Die Entwicklung sei "eine Angelegenheit der gesamten Nato" und erfordere "Konsultationen und Reaktionen".

"Alarmierende Neuigkeit"

Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks nannte die Entwicklung eine "alarmierende Neuigkeit". Die Verlegung verschiebe zwar nicht das Kräfteverhältnis zwischen Russland und der Nato insgesamt, aber das Verhältnis "in der Region".

Die Iskander-Rakete ist ein Marschflugkörper, eine taktische ballistische Boden-Boden-Rakete aus russischer Produktion und gehört zur Klasse der Kurzstreckenraketen (SRBM). Der Nato-Code lautet SS-26 Stone. Es gibt mehrere Varianten der Rakete, die modernste hat eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Der erste Teststart erfolgte 1996. Nach weiteren Anpassungen begann 2005 die Auslieferung an die russischen Streitkräfte.

Die wirksamste Variante der Iskander, die sich nach "Alexander dem Großen" benennt, heißt "Tender", hat eine Nutzlast von mehr als 800 Kilogramm Sprengstoff und eine Reichweite von 415 Kilometern. Die Iskander-Raketen oder auch SS 26 ist eine moderne ballistische Rakete mit sehr hoher Zielgenauigkeit.

Drei Raketen pro mobiler Einheit

Das System ist auf geländegängigen Lastwagen montiert, somit also sehr mobil und schnell verlegbar. Vom Befehl des Abschusses bis zum Raketenstart braucht eine geübte russische Besatzungsmannschaft nicht mehr als 16 Minuten. Jedes System umfasst drei Raketen, die zweite und dritte kann im Abstand von 40 Sekunden gezündet werden.

Einige mobile Abschusseinheiten arbeiten mit einem digitalen Radarsystem in der Lenkwaffenspitze. Das Radarsystem steuert die Rakete im Zielendanflug selbstständig auf einen Punkt zu, welcher zuvor auf einer digitalen Radar-Satellitenkarte markiert wurde. Mit diesem Zusatzsystem wird eine Präzision von 10 bis 50 Metern erreicht, die Streuung ist also gering.
Durch ihre sehr flache Flugbahn ist sie vom gegnerischen Radar schwer zu erfassen. Selbst wenn sie entdeckt wird, ist das Abschießen durch Flugabwehrsysteme oder Abfangjäger nur schwer möglich, denn die Iskander vollzieht selbstständige und abrupte Ausweichmanöver.

Abfangjäger und Luftabwehr fast ohne Chance

Im Zielanflug werden automatisch mehrere Täuschkörper ausgestoßen, ein effektiver Störsender befindet sich an Bord eines jeden Flugkörpers, dessen Oberfläche mit einer radarabsorbierenden Schutzschicht überzogen ist.

Während des Kaukasus-Konflikts 2008 wurden mindestens drei SS-26-Iskander-Raketen gegen Georgien eingesetzt, die mit konventionellen Sprengköpfen bestückt waren. Die Iskander kann aber auch nukleare Sprengköpfe mit einer Sprengkraft von bis zu 200 Kilotonnen tragen.

Vier SS-26-Brigaden mit je zwölf mobilen Abschussrampen sind in den russischen Streitkräften im Einsatz. Bis zum Ende 2015 sollen 60 Systeme in Dienst gestellt werden.

Russland verteidigt sein "Kernland"

Mit der Stationierung der Raketen an den östlichen Grenzen der EU macht Russland seine geostrategischen Interessen sehr deutlich. Moskau ist offenbar nicht gewillt, weiteres "Kernland" der ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes abzugeben.

Mit der Stationierung der Raketen an den östlichen Grenzen der EU macht Russland seine geostrategischen Interessen sehr deutlich. Moskau ist offenbar nicht gewillt, weiteres "Kernland" der ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes abzugeben.

Als US-Präsident Barack Obama im September 2009 erklärte, auf ein Raketen-Abwehrschild in Polen und Tschechien zu verzichten, schien sich die Lage zwischen den beiden großen Rivalen zu entschärfen. Die Stationierung der Iskander-Raketen in Kaliningrad als Gegenreaktion auf den Nato-Schirm war kein Thema mehr.

Anschließende Verhandlungen mit den USA bezüglich des europäischen Raketenschilds scheiterten jedoch. Hinzu kam die volatile Lage in der Ukraine. Nun sind die Raketen dort, wo sie eigentlich nie hin sollten, gerichtet auf Osteuropa – und Deutschland.
Als US-Präsident Barack Obama im September 2009 erklärte, auf ein Raketen-Abwehrschild in Polen und Tschechien zu verzichten, schien sich die Lage zwischen den beiden großen Rivalen zu entschärfen. Die Stationierung der Iskander-Raketen in Kaliningrad als Gegenreaktion auf den Nato-Schirm war kein Thema mehr.


© Axel Springer SE 2013. Alle Rechte vorbehalten

Quelle:http://www.welt.de/politik/ausland/...eckt-Raketen-naeher-an-Deutschland-heran.html
 
Putin rückt Raketen näher an Deutschland heran

© Axel Springer SE 2013. Alle Rechte vorbehalten

Quelle:http://www.welt.de/politik/ausland/...eckt-Raketen-naeher-an-Deutschland-heran.html

DIE WELT wird bekanntlich - wie auch die BILD - im Verlag Axel Springer SE gedruckt. Da ist geschlossenes Vorgehen natürlich Ehrensache. DIE WELT hat ja bekanntlich nicht die Auflagenhöhe wie BILD. Aber sie richtet sich an einen etwas anspruchsvolleren Leserkreis. Also muss man bei der Behandlung des Themas ein bisschen in die Tiefe gehen. Nachdem wir hier auf hidden-places.de schon gezeigt haben, wie der BILD-Leser verschaukelt wird, kommen wir nun zu Stufe 2: Wie verschaukle ich den wohlmeinenden WELT-Leser?

Zuerst besorge ich mir für die Behandlung des Themas einen ausgewiesenen Experten. Der Autor des zitierten Beitrages in der WELT vom 17.12.2013 ist Dietrich Alexander, Stv. Ressortleiter Außenpolitik bei der WELT. Ausbildung: Studium Islamwissenschaft, Jura und Journalistik in Hamburg und Damaskus; Berufliche Laufbahn: 1989 Freier Journalist und Reporter; 1993 Volontariat an der Axel-Springer-Journalistenschule; seit 2005 Stv. Ressortleiter Außenpolitik.

Von Dietrich Alexander erfährt der wohlmeinende Leser, dass Russland mobile Abschuss-Systeme (für ISKANDER-Raketen) an den EU-Grenzen stationiert und damit seine geostrategische Interessenzone markiert. Ich denke, rein völkerrechtlich betrachtet, ist es dem russischen Staat durchaus gestattet, innerhalb seiner Grenzen jede völkerrechtlich zulässige Waffe dort zu stationieren, wo er es für erforderlich hält.

Wer die Geschichte Europas der letzten 80 Jahre kennt, weiß doch eigentlich, dass es die Russen noch nie besonders geschätzt haben, wenn sie von nicht zwangsläufig freundschaftlich gesinnten Staaten eingekreist werden. Ganz besonders mögen sie es nicht, wenn sich die Ostgrenze eines anderen Herrschaftsbereiches bis auf wenige hundert Kilometer an ihre Hauptstadt heranschiebt. Wer Näheres über entsprechende Befindlichkeiten wissen möchte, sollte unter dem Stichwort "Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt" bei Google nachlesen. Das nur zum Thema "politischer und wirtschaftlicher Druck auf die Ukraine". Wenn man im Vergleich dazu an die zahlreichen Beispiele der Verteidigung "vitaler amerikanischer Interessen" denkt...

Aber zurück zum eigentlichen Thema:

Eberswalde im Radius der Iskander-Raketen

Ein Ministeriumssprecher sagte, Iskander-Raketensysteme seien in der "Militärregion West" stationiert worden. Die umfasst nach dem Muster russischer Militärzonen sowohl die russische Exklave Kaliningrad als auch die Hauptstadt Moskau und die Metropole St. Petersburg. Im Süden reicht die Zone bis zur Ukraine. Wenn die mobilen Abschusssysteme an der Grenze zu Weißrussland oder der Ukraine in Marsch gesetzt werden, befinden sich im Radius der Raketen große Landesteile beider Staaten, von Kaliningrad können Raketen deutschen Boden erreichen und etwa Eberswalde in Brandenburg treffen.

Der wohlmeinende Leser erschaudert natürlich beim Lesen dieser Textpassage sofort - die ISKANDER-Raketensysteme könnten aus dem Kaliningrader Oblast Eberswalde in Deutschland treffen. Könnten! Nur - warum sollten sie? Was macht denn die ca. 39.000 Einwohner zählende Kreisstadt des Landkreises Barnim für die Russen so interessant, dass sie deswegen Raketenstartrampen in das Gebiet Kaliningrad verlegen könnten? Die Antwort: Nichts! Der Bezug ist Blödsinn. Denn jeder halbwegs interessierte Leser weiß, weshalb es überhaupt für die Russen geboten sein könnte, ISKANDER-Raketenkomplexe in den Bereich der taktischen Luftstreitkräfte der NATO zu verlegen. Und das ist einzig die Niederhaltung des amerikanischen Raketenabwehrsystems, dessen beabsichtigte Aufstellung u. a. in Polen zu heftigen Auseinandersetzungen auf politischem Gebiet führte. Eberswalde dürfte also eher nicht als Ziel für russische ISKANDER-Raketen in Frage kommen. Billige Polemik das Ganze, mehr nicht.

Die Iskander-Rakete ist ein Marschflugkörper, eine taktische ballistische Boden-Boden-Rakete aus russischer Produktion und gehört zur Klasse der Kurzstreckenraketen (SRBM).

Dem wohlmeinenden Leser der WELT wird der Schwachsinn in den vorstehenden Zeilen sicher nicht auffallen. Aber für die User von hidden-places.de mal der kleine Hinweis, dass ein "Marschflugkörper" allenfalls zwischen dem Brennschluss eines hypothetischen Startboosters und dem Anlaufen des
Marschtriebwerkes "ballistisch" fliegt. Danach ist seine Flugbahn alles andere als "ballistisch".

Die wirksamste Variante der Iskander, die sich nach "Alexander dem Großen" benennt, heißt "Tender", hat eine Nutzlast von mehr als 800 Kilogramm Sprengstoff und eine Reichweite von 415 Kilometern.

Das ist jetzt ziemlich verwirrend. Also schön aufpassen! ISKANDER ist also auch TENDER. Wann ISKANDER zu TENDER wird, verrät die WELT leider nicht. Aber als "wirksamste" Variante der ISKANDER hat ja die TENDER-Version "nur" eine Reichweite von 415 km. Das wird die Eberswalder sicher freuen, denn die Luftlinie zwischen Kaliningrad und Eberswalde beträgt 488 km.

Drei Raketen pro mobiler Einheit

Das System ist auf geländegängigen Lastwagen montiert, somit also sehr mobil und schnell verlegbar. Vom Befehl des Abschusses bis zum Raketenstart braucht eine geübte russische Besatzungsmannschaft nicht mehr als 16 Minuten. Jedes System umfasst drei Raketen, die zweite und dritte kann im Abstand von 40 Sekunden gezündet werden.

Auch diese Angabe ist reichlich verwirrend. Die angegebenen 16 Minuten braucht ein Feuerzug der ISKANDER-Raketenbrigaden zum Start aus der Bewegung. Aus einer vermessenden Startstellung geht der Start deutlich schneller vonstatten.
Die Startrampe 9P78-1 des ISKANDER-Komplexes hat stets zwei Raketen "geladen". Beide Raketen können innerhalb einer Minute gestartet werden. Dass der Nachladevorgang der dritten Rakete vom TLF einschließlich des Starts nur 40 Sekunden dauert, darf getrost bezweifelt werden.

Einige mobile Abschusseinheiten arbeiten mit einem digitalen Radarsystem in der Lenkwaffenspitze. Das Radarsystem steuert die Rakete im Zielendanflug selbstständig auf einen Punkt zu, welcher zuvor auf einer digitalen Radar-Satellitenkarte markiert wurde. Mit diesem Zusatzsystem wird eine Präzision von 10 bis 50 Metern erreicht, die Streuung ist also gering.

Dass es einen opto-elektronischen Zielsuchkopf für die ISKANDER-Rakete gibt, ist seit einigen Jahren bekannt. Die entsprechenden Systeme wurden bereits bei Ausstellungen im Ausland gezeigt. Bei dem betreffenden System handelt es sich nur leider nicht um ein Radar-gestütztes System.

Vier SS-26-Brigaden mit je zwölf mobilen Abschussrampen sind in den russischen Streitkräften im Einsatz. Bis zum Ende 2015 sollen 60 Systeme in Dienst gestellt werden.

Nein, momentan sind erst drei Raketenbrigaden mit ISKANDER-Systemen im Einsatz. Dabei handelt es sich um die 26. RBr im Verantwortungsbereich des westlichen Militärbezirks, um die 107. RBr in der Verantwortung des fernöstlichen Militärbezirks und um die 1. RBr in der Verantwortung des südlichen Militärbezirks. Die 630. selbstständige Raketenabteilung mit Standort in Kapustin Jar ist der für die Umschulung auf ISKANDER-Systeme verantwortliche Truppenteil.

Nun sind die Raketen dort, wo sie eigentlich nie hin sollten, gerichtet auf Osteuropa – und Deutschland.

Das ist Schwachsinn. Bislang wurden keine ISKANDER-Raketen in der Region um Kaliningrad stationiert. Die in der Region Luga stationierten ISKANDER-Raketenkomplexe der 26. RBr des russischen Westlichen Militärbezirks können deutsches Territorium nicht erreichen. Durch den Artikel wird nur unleidliche Meinungsmache gegen Russland betrieben.

Wäre ich Abonnent der WELT - ich würde das Abonnement an dieser Stelle sofort beenden.
 
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Besten Dank für Wortmeldung. Auch ich denke
Durch den Artikel wird nur unleidliche Meinungsmache gegen Russland betrieben.
und das muß ja nun wirklich nicht sein. Was mich mal zur erwähnten 152. Raketenbrigade interessieren würde ist ob deren Totschka-U überhaupt eine Kernwaffeneinsatzrolle haben? Eine Bilderstrecke zum Thema Totschka-U und Kaliningrad gibt es übrigens hier: http://de.rian.ru/photolents/20091009/123436743.html Das erwähnte Pawenkowo findet sich hier https://maps.google.de/maps?q=Russl...ayon,+Kaliningradskaya+oblast',+Russland&z=12
Meldungen zu Übungen und der Zielgenauigkeit dieser Rakete gibt es ja auch so einige.
 
Was mich mal zur erwähnten 152. Raketenbrigade interessieren würde ist ob deren Totschka-U überhaupt eine Kernwaffeneinsatzrolle haben?

Gute Frage! Die Rakete TOTSCHKA-U ist jedenfalls ein Kernwaffeneinsatzmittel. Und die Startrampen der 152. RBr enthalten offenbar weiterhin die Blöcke zur Entsicherung der Startstromkreise von nuklear bestückten Raketen. Allerdings ist mir nicht bekannt, ob für die Raketen der 152. RBr aktuell Kern-GK bevorratet werden.

Meldungen zu Übungen und der Zielgenauigkeit dieser Rakete gibt es ja auch so einige.

Aufgrund des besonderen Lenkverfahrens gilt für die TOTSCHKA-Raketen ganz allgemein, dass ihre Zielgenauigkeit nur von der Genauigkeit der Ermittlung der Anfangsangaben für den Start (Koordinaten des Start- und des Zielpunktes, Richtung zum Ziel, meteorologische Daten) abhängig ist. Könnte man diese Angaben auf den Punkt genau ermitteln, würde die Rakete auch genau den Punkt treffen. Deshalb heißt die Rakete ja auch "Punkt".
 
Wie wäre das Zeug in den Kaliningrad Oblast gekommen, mit der Eisenbahn, mit dem Flugzeug, mit dem Schiff und wenn ja über Baltijsk oder Kaliningrad.

Ich tippe auf Eisenbahn. Es hätte dann vermutlich auf dem Bahnhof von Kaliningrad genauso ausgesehen wie vor knapp zwei Wochen auf dem Bahnhof von Krasnodar, als die ISKANDER-Technik für die 1. Raketenbrigade der 35. Armee des Militärbezirks Süd ankam. Mitte November 2013 war Technikübernahme auf dem Platz 71 des 60. Ausbildungszentrums für den Gefechtseinsatz der Raketentruppen bei Kapustin Jar -> http://tvzvezda.ru/news/forces/content/201311150927-ed2p.htm . Und kurz vor Weihnachten wurde die neue Technik an ihrem Bestimmungsort mit großem Bahnhof empfangen -> http://tvzvezda.ru/news/forces/content/201312172309-iqt4.htm
 
Nanu! Warst Du nicht zufällig dabei, als jemand vor ein paar Wochen dem Klaus erklärt hat, wie die OKA-Startrampen bei ihrem Eisenbahntransport in die DDR 1985 getarnt waren? Stell Dir eine schöne große Eisenbahnplane über die Metallbügel gezogen vor ... und schon wird es mit dem Erkennen der Kontur der darunter verborgenen Technik schwierig.
 
Aber zwischen beiden Vorgängen liegt mehr als ein Vierteljahrhundert, ich verstehe nicht warum die Russischen Streitkräfte noch immer so einen Aufwand betreiben hinsichtlich Tarnung. Zumal ja bei der Übergabe die Presse anwesend war und großer Empfang inszeniert wurde. Und der Bahntransport lief überdies auf eigenem Gebiet. Insofern wundert mich das schon.
 
Na Fakt ist jedenfalls, dass ich dieses "Gestell" bislang nur beim Eisenbahntransport an den Startrampen und den TLFs gesehen habe. Und die Anwesenheit der Presse am Entladebahnhof ist nicht der springende Punkt. Die Raketentruppen der LaSK der NVA haben auch generell verplant, obwohl das z. B. für die Verlegung von Dabel nach Berlin vor der Ehrenparade witzlos war. An beiden Bahnhöfen warteten MVM-Angehörige mit Riesen-Teleobjektiven. Der springende Punkt ist, dass Raketenbrigaden auch mal verlegt werden, ohne dass gleich jeder mitbekommt, auf welcher Strecke und mit welchem Ziel die Verlegung erfolgt. Und das demaskierende eines Transportzuges mit der Technik einer Raketenbrigade sind nun mal nicht in erster Linie die KAMAZ-LKW mit der Führungstechnik sondern die Startrampen und die TLF.

Möglich wäre allerdings, dass das Gestell noch eine weitere Funktion hat. Es hält nämlich die Eisenbahnplane von der Besatzungskabine und dem dahinter liegenden Aggregate-Teil ab. Das kann einerseits zum Schutz bestimmter Geräte/Sensoren an der Außenhaut der Startrampe (u. a. GLONASS-Empfänger auf dem Dach der Kabine) und/oder zur Gewährleistung der Begehbarkeit der Kabine und des Aggregate-Teils während des Transports erforderlich sein.
 
Der springende Punkt ist, dass Raketenbrigaden auch mal verlegt werden, ohne dass gleich jeder mitbekommt, auf welcher Strecke und mit welchem Ziel die Verlegung erfolgt. Und das demaskierende eines Transportzuges mit der Technik einer Raketenbrigade sind nun mal nicht in erster Linie die KAMAZ-LKW mit der Führungstechnik sondern die Startrampen und die TLF.
Also ich weiß wirklich nicht was es da zu verheimlichen gab. Gerade wenn es auch noch übeflüssig ist muss man es nicht tun. Hier ging es ja um die Übergabe fabrikneuer Technik an eine Raketenbrigade. Der Standort des Herstellers wie auch jener der Raketenbrigade ist doch bekannt. Daraus resultiert folglich auch die entsprechend zu nutzende Eisenbahnstrecke. So viele Alternativen kann es da nicht geben. Die Argumentation wird für mich nachvollziehbar wenn die Brigade zum Schießen mit der Eisenbahn verlegt. Aber spätestens dann wenn die Presse dann davon berichtet das diese oder jene Brigade dort geschossen hat ist ja auch wieder klar auf welche Weise die Technik von A nach B gelangte. Ich sehe im betrachteten Fall keinen Grund vom Aspekt der Tarnung her diese Gitter und Planen an den Startrampen zu installieren.
Du führst einen möglichen zweiten Grund an. Hier habe ich das mit der Begehbarkeit nicht verstanden. Da läuft doch keiner rum während des Transportes? Hast du aber zufällig ein Bild irgendwo von dem angesprochenen Empfänger auf dem Dach des Fahrerhauses? Da könnte man einfach eine Schutzabdeckung darauf legen. Ich habe Verständniss dafür das man eine Plane auf da Fahrzeug legt als Wetterschutz oder ähnliches. Was mir aber nicht in den Kopf will ist das man die Konturen der Abdeckplane vom Aufbau bis über das Fahrerhaus verlängert und dazu dieses Gestell montiert. Zumal es auf dem Film so aussah als wenn die Räder unter der Plane noch zu sehen waren weil die Plane nicht bis zum Boden reichte.

Nachtrag: Bilderserie vom besagten Ereigniss, mit einigen besser sichtbaren Details dieses Metallgerüstes unter http://www.yuga.ru/photo/2470.html
 

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