Mo, 18 Mai 2015
Kaliningrader Grenze, Grenz- und Sonderzonen
Die Kaliningrader Grenze scheint, insbesondere für Ausländer, immer von besonderem Interesse zu sein. Zum einen ist Kaliningrad durch seine Insellage irgendwie interessant und dann ist das Gebiet immer noch aus der sowjetischen Vergangenheit mit vielen geheimnisvollen Mythen umgeben. Und wenn etwas geheimnisumwittert ist, dann sorgt dies auch für Neugier.
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Foto: Zufallsmotive bei Spaziergängen – irgendwo im Kaliningrader Gebiet
So war erst vor wenigen Tagen ein Holländer außerordentlich und außergewöhnlich neugierig. Er gab sich als Hobbyfotograph aus, der gerne Grenzpfosten von beiden Seiten fotografiert. Da er dies ohne Genehmigung getan hatte, hatte dies somit auch Folgen.
Man sollte sich also korrekt verhalten, wenn man sich im Grenzgebiet aufhält. Jeder Staat ist an seiner Grenze empfindlich und hat besondere Regelungen erlassen, wie sich Besucher zu verhalten haben. Polen hat jetzt erst verkündet, dass es zum noch besseren Schutz seiner Grenze, mit Hilfe europäischer Steuergelder, zusätzliche Wachtürme entlang der Grenze zu Kaliningrad errichten wird.
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Fotomontage: Kaliningrader Grenze zu Polen
Und so hat auch die Russische Föderation für seine 540 Kilometer lange Grenze (davon 130 Kilometer Seegrenze) im Kaliningrader Gebiet Regelungen erlassen. Diese Regelungen hatten in der Vergangenheit immer viel Unmut bei den Deutschen ausgelöst, da entlang der Staatsgrenze ein Streifen von fünf Kilometern festgelegt war, den man ohne Sondergenehmigung nicht betreten durfte. Diese Regelung war zwar nur für wenige Deutsche von Interesse, wurde aber in regelmäßigen Abständen hochgespielt.
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Karte: Grenzzonenregelung für das Kaliningrader Gebiet bis Ende 2013
Man brauchte eben immer irgendein Thema, um den Russen zu zeigen, wie unzulänglich, unhaltbar, unmenschlich, undemokratisch all das ist, was dieses Land für sich und seine Ordnung festlegt.
Ein weiteres beliebtes Thema und auch ein Grund, um die Regelungen für eine Visafreiheit mit Russland hinauszuzögern, war die Meldepflicht für Ausländer in Russland. Während anfänglich noch die Regelung bestand, dass sich ein Ausländer innerhalb von drei Arbeitstagen zu registrieren hat, wurde diese Regelung vor einigen Jahren auf sieben Arbeitstage oder neun Kalendertage geändert. Für einen Großteil der Besucher trifft nun also zu, dass sie sich nicht mehr registrieren brauchen. Obwohl, ein Ausländer hat sich noch nie registriert, denn er persönlich darf das gar nicht. Das muss für ihn die einladende Seite erledigen – mit anderen Worten, der Ausländer hat mit seiner Registrierung keinerlei Aufwand, er braucht jetzt noch nicht einmal die Migrationskarte auszufüllen, denn die wird durch den Grenzbeamten ausgedruckt – trotzdem regte man sich auf. Und man regte sich über die Grenzzonen in Kaliningrad auf.
Trotzdem glauben immer noch einige Besucher, dass man russische Gesetze nicht beachten braucht – sie sind einfach lästig. Und so registrieren sie sich nicht, wenn sie sich länger als neun Kalendertage in Russland aufhalten. Was soll schon passieren? Oft höre ich von solchen klugen Deutschen, dass sie an der Grenze noch nie aufgehalten worden sind, denn sie haben sich auch noch nie registriert. Diese Leuten kann ich dann immer nur beglückwünschen, dass sie bisher Glück hatten. Aber niemand soll glauben, dass der russische Staat Gesetzesverletzungen nicht bemerkt. Man kann sicher sein, dass nichts in diesem Staat verloren geht. Und an die in Russland begangenen Sünden wird ein Ausländer dann erinnert, wenn er plötzlich eine Visaverweigerung erhält – natürlich zu einem für ihn denkbar ungünstigen Moment. Dann hat er wieder Gelegenheit, auf die bösen Russen zu schimpfen. Und noch schlimmer wird es, wenn er erfährt, dass er wegen Verletzung der Meldepflichten mit einem Einreiseverbot von drei, fünf oder zehn Jahren belegt worden ist. Für einen Touristen sicherlich kein Drama, aber für jemand der geschäftlich in Russland zu tun hat eine Katastrophe.
Aber der russische Staat gibt jedem die Möglichkeit vor der Einreise zu prüfen, ob er den Status „Sünder“ hat oder nicht. Auf der Internetseite des Migrationsdienstes kann man ein paar Felder ausfüllen und bekommt das Resultat seiner „Unerwünschtheit“ hoffentlich nicht angezeigt:
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Dann wurde durch den FSB-Direktor Alexander Bortnikow im November 2013 der Befehl 238 über die Grenzzonenregelung in der Russischen Föderation überarbeitet.
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Fotomontage: FSB-Direktor Alexander Bortnikow
Die Überarbeitung sah eine radikale Verkleinerung der Grenzzonen im Kaliningrader Gebiet vor. Die Grenzzonen wurden so klein, dass es kaum möglich ist, eine vernünftige Karte zu zeichnen.
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Grafik: Karte des Kaliningrader Gebietes mit Grenz- und Sonderzonen
Natürlich gibt es auch jetzt noch etwas zu kritisieren, denn Russland publizierte zwar diese neuen Regelungen wie üblich in den russischen Medien, aber für das Kaliningrader Gebiet unternahm man keine Anstrengungen, diese erfreuliche Meldung „unter die Massen“ zu bringen und so ist auch heute noch vielfach unbekannt, dass es eine Neuregelung gibt – oder besser formuliert – dass der russische Staat den Besuchsaufenthalt und die Bewegungsfreiheit für Ausländer in Kaliningrad vereinfacht hat. Wir merken dies an den Anfragen, die unsere Informationsagentur häufig erhält.
Nach wie vor ist auch die Bearbeitungszeit für einen Grenzausweis recht lang. Bis zu zwei Monate kann es dauern, ehe man erfährt, ob man die Zutrittsberechtigung erhält oder nicht. Die Grenzzone ist also für einen Spontanbesuch wenig geeignet.
Unsere Informationsagentur hat regelmäßig Kontakt mit der Abteilung, die für diese Grenzausweise zuständig ist und wir wurden immer sehr höflich und zuvorkommend informiert. Und hier sagte man uns, dass die Bearbeitungszeit im wesentlichen davon abhängt, wie vollständig und fehlerfrei der Antragsteller die Unterlagen ausfüllt. So kann es auch durchaus möglich sein, dass man die Genehmigung schon nach zwei Tagen erhält. Und sicher hat auch die bisherige Verhaltensweise des Ausländers in Russland bei früheren Besuchen Einfluss auf die Bearbeitungszeit. Das ist ähnlich wie in Deutschland, wenn man durch einen Verkehrspolizisten wegen zu schnellem Fahren angehalten wird und diesem dann mit passenden Worten erklärt, dass er lästig ist. Vermutlich wird dann auch noch eine Kontrolle des technischen Zustandes des Fahrzeuges erfolgen – und das kann dauern.
In der Regel erfolgt die Antragsstellung durch eine russische Tourismusfirma. Aber auch der Antragsteller selbst kann direkt den Grenzausweis beantragen – sofern er russisch spricht und schreibt. Um den Antrag einzureichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann dies direkt im Stab der Grenztruppen in Kaliningrad tun, kann sich aber auch an örtliche Dienststellen der Grenztruppen wenden:
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Natürlich kann man nicht erwarten, dass alle Ausländer, aber auch Russen, komplett die Landkarte im Kopf haben und auch die Grenzzonenregelungen im Detail kennen. Deshalb befinden sich an den Zufahrtswegen auch entsprechende Hinweisschilder:
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Foto (Archiv Kaliningrad-Domizil): Hinweisschild russisch/englisch auf die Staatsgrenze
Natürlich darf man mitten im Wald oder auf irgendeinem Feldweg nicht unbedingt auch dieses Schild erwarten. Aber der normale Besucher verirrt sich auch selten über einen Wald- und Wiesenspaziergang in die Grenzzone. Und selbst wenn mal ein ausländischer „Irrläufer“ aufgegriffen wird, so muss es nicht gleich zum Schlimmsten kommen. Wer nicht eine professionelle Kameraausrüstung bei sich führt und sich aggressiv gegenüber den Grenzsoldaten verhält, wird sicherlich auch mit netten Worten „auf den richtigen Weg“ zurückgeführt.
Nun haben wir aber auch noch die sogenannten „Sonderzonen“. Die haben schon immer besonderen Wissensdurst bei gewissen Ausländern hervorgerufen, deuten diese doch auf Dinge hin, die der russische Staat nicht als „Touristenattraktion“ deklariert. Auf unserer o.g. Karte sind es drei im Kaliningrader Gebiet. Auch hier reagieren die russischen Behörden genau so nervös auf Verletzungen der Besuchsbestimmungen, wie dies die deutschen Behörden in Deutschland tun – insbesondere, wenn neugierige Deutsche sich zu sehr amerikanischen Einrichtungen nähern.
Um diese Zonen in Kaliningrad nicht ungewollt zu betreten, bedarf es nichts weiter, als besonderer Aufmerksamkeit, denn auch hier gibt es große, nicht zu übersehende Schilder:
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Foto: Sonderzone „irgendwo“ im Kaliningrader Gebiet
Von russischer Seite, so meine persönlichen Erfahrungen, wird nichts Außergewöhnliches gefordert. Seit einigen Monaten veröffentlichen wir immer am Sonntag „Exkursionen durch Kaliningrad“ und bereisen viele „Zonen“. Immer wurde ich mit Höflichkeit behandelt, wenn ich mich einer empfindlichen Zone näherte oder etwas fotografierte, wo ich doch vorher besser hätte fragen sollen.
Wenn also unsere Besucher – leider viel zu wenige aus Deutschland – ihren Aufenthalt in Kaliningrad genießen und auch nur angenehme Erinnerungen wieder mit nach Deutschland nehmen wollen, so empfehle ich, mit offenen Augen und Ohren durch unsere 15.000 Quadratkilometer zu reisen.
Wir haben den Befehl 238 des FSB-Direktors übersetzt. Dort ist jede Ortschaft aufgeführt, für die man eine Grenzgenehmigung braucht. Sie können gerne von unserem kostenlosen Informationsangebot Gebrauch machen ... "damit sie auch morgen noch kraftvoll reisen können.“
... ach, ehe ich es vergesse!
Natürlich gibt es unternehmerisch veranlagte Menschen in Kaliningrad, die einem Ausländer alles mögliche erzählen, wie kompliziert und gefährlich alles ist. Und natürlich haben diese für alle Lebenslagen auch sofort Lösungen und können helfen, denn sie wollen nur Ihr Bestes – nämlich Ihr Geld. Glauben Sie nicht irgendwelchen Ammenmärchen und bezahlen nicht für Dinge, für die man nicht bezahlen muss.
Kommentare ( 1 )
Hausmann
Veröffentlicht: 18. Mai 2015 18:25:35
Danke für Ihre Informationen Herr Niemeier!
Es ist natürlich ein Balanceakt, in diesem militärisch sensiblen Gebiet gleichzeitig etwas lockere touristische Ausflüge zu ermöglichen. Ich bin selber paar Schritte neben der damaligen Westgrenze aufgewachsen, die Einschränkungen waren wenig lustig und auf ähnliches lege ich keinen Wert mehr.
Als Minimum könnte man vielleicht den Touristen eine präzise Karte geben plus klare Spielregeln und Fotos solcher Schildchen, möglicherweise auch Alternativen(?).