Gottow: WK II Versuchsreaktor

zu den Resten der Versuchsanlage:
das gesamte Gebiet inkl Gottow, Schiessbahn West und VersWest kann offiziell derzeit nicht besichtigt werden, die BBG mag das nicht.
2012 habe ich mal eine Führung für Kernphysiker eines norddeutschen KKW durchgeführt, die sind da rumgesprungen wie Kinder um den Weihnachtsbaum ;)
Die hatten auch das eine oder andere nette Messgerät dabei, ab und an pingte es. Auf meine diesbezügliche Frage wurden wohl in der Luft fliegende Cäsiumisotope gemessen.
Wir hatten 2 Monate zuvor Messungen mit einem NVA-Isotopenmessgerät durchgeführt und dort extrem punktuelle Strahlung gemessen. Punktuell meint hier an einer Stelle wildes Gepiepe, 3 - 5 cm daneben nur einzelnes klicken.
Es wurden auch durch die Kernwerkleute an diesen Stellen mal gewessen, aber natürlich nur spasseshalber, nicht offiziell. An den besagten Stellen - von denen es 3 gab, wurde genau die gleichen Effekte (eben punktuell) festgestellt von unter 1 Mikrosivert - genauen Wert weiss ich nicht mehr.
Jedenfalls ist das nach deren Aussage alles nicht bedenklich.

Die punktuelle Strahlung erklärten sie mit kleinen Stückchen Uran, die im Boden wären.
Einen kritischen Versuch hat es ja gegeben und kann nachgelesen werden, es gab ja auch den strahlenkranken Techniker, der 1946 gestorben ist. Name fällt mir gerade nicht ein, aber ist ja auch bekannt.
 
sehr interessant was du erzählst! Gerne mehr davon.

Weisen die Messwerte auf einen "künstlichen" also herangeschafften Strahlungswert hin? Das mit den Strahlungopfern lese ich das erste Mal. Gab es die dort in Gottow oder bei anderen Versuchsstellen? (Haigerloch)

Grüße
 
Jo, ich hab ihn danach gefragt, ob künstlich oder nicht und seine Antwort war, es sind künstliche Cäsiumisotope. Ist wohl Zerfallprodukt des Uran, aber das ist nur meine Mutmaßung. Ich bin kein Physiker und weiss nicht, ob Uran 23X zu Cäsium zerfällt.

Und den Techniker gab es in Gottow, der Name ist auch bekannt (müsste ich mal nachsuchen), der wurde auch in einem der Bücher über Gottow erwähnt. Er wurde im Frühjahr 1946 nach Jüterbog ins Krankenhaus gebracht und ist dort auch gestorben. Behandelt wurde er wegen "Strahlenkrankheit" und er stammte aus einem Nachbardorf.

Zu den Kernwerkleuten ist mir noch was eingefallen. Der Chef von denen hat also eine dieser besagten Stellen gemessen und sagte dann so: Jo, der misst hier 0,8 Millisievert. (also Zahl muss jetzt nicht stimmen)

Die Gesichter von den anderen - göttlich. Alle sahen ihn entsetzt an und wollten gerade weglaufen, da grinste er und sagte: "Tschuldigung, ich meinte natürlich Mikrosievert". Die Steine, die da zu Boden fielen, waren sehr groß.
 
Hallo,

Willi Henning hieß der Mann, Technische Hilfskraft in der Versuchstelle Gottow. Der Totenschein des Kreiskrankenhauses Zossen ist in Günter Nagels Buch "Atomversuche in Deutschland" abgedruckt (S. 143) . Todesursache laut dieses Scheines: böswillige Pilzerkrankung. Laut einer vagen Aussage des behandelnden Arztes handelte es sich um eine Strahlenkrankeit. Henning hantierte offenbar immer mal wieder mit der Neutronenquelle, die für die Versuche benötigt wurde. Siehe genanntes Buch ab S. 142. Cäsium-137 beispielsweise (Halbwertszeit rund 30 Jahre, das entsteht durch Spaltung von U-235) wurde in großen Mengen beim Reaktorunfall von Tschernobyl über Deutschland verteilt.

Grüße Skynet
 
..es sind künstliche Cäsiumisotope. Ist wohl Zerfallprodukt des Uran, aber das ist nur meine Mutmaßung. Ich bin kein Physiker und weiss nicht, ob Uran 23X zu Cäsium zerfällt...

...in der natürlichen Zerfallsreihe des Urans kommt Cs nicht vor.
Radio- Cs entsteht bei Kernspaltung; nicht Kernzerfall. Ist n Unterschied.
In G. wurde ja vermutlich gespalten.

Radio- Cs (es gibt ja auch das "normale" Cäsium) hat eine HWZ vom 30 Jahren. Zerfallsdynamik exponential (nicht linear!); daher passt es auf die Zeitschiene.

Die genannten MikroSv messe ich in Berlin in etwa auch.

"Fliegende Cs- Isotope" halte ich für irreführend. Cs ist vom Zerfallstyp strenggenommen ein beta- Strahler und regt sich nebenbei noch mit relativ heftiger Gammastrahlung ab, dass man es als GammaQuelle nutzt.

Das Zeugs (Cs und andere Spaltprodukte) dürfte sich im Laufe von Zeit und Witterung im Boden eingewaschen haben, und was man beim Herumlatschen in Handhöhe mißt, dürfte deren Gamma- Anteil sein.

Alles gut. FA
 
wenn man sich die schweren Hautschäden der Tschernobyl- Liquidatoren betrachtet, scheint die Diagnose des damaligen Arztes - vermutlich radiologisch unerfahren - schlüssig.
Auch damals im konkreten Fall dürften die Gamma- Dröhnung und möglicherweise auch Neutronenbeschuß im Zuge der Spaltprozesse ähnliche Hautschäden verursacht haben.
Die Haut verliert unter dem Einfluß der hochenergetischen Strahlung ihre Immunisierungs- Kapazität, was entzündliche Prozesse verursacht.
Klar, die Diagnose des unwissenden Arztes könnte gut ins Verschleierungskonzept passen.

FA
 
Ja, in Berlin Zehlendorf 0,07 mikrosievert.
In Oranienburg 0,09 mikrosievert, an einigen Stellen mehr. (Auerwerke)
In Gottow am ehemaligen Reaktor punktuell 20 mikrosievert.
Meine Messwerte stehen weiter oben.
 
Bin nun kein Strahlenexperte aber wann ist denn diese Strahlung sagen wir mal bedenklich? Hängt ja bestimmt auch von der Verweildauer ab?

Gruß Dirk
 
Kommt drauf an RR, audf welche Weise sich die Energie im betroffenen Körper umsetzt.

Atmest Du eine Staubwolke voller alpha- Quellen ein (Radium, Uran, Polonium..), wird deren Energie im unmittelbaren EInflußbereich ihrer Strahlung zu 100% im durchfluteten Gewebe umgesetzt – und das in nur wenigen Millimetern um die Quelle, da alpha und beta- Geschosse nur eine geringe Durchschlagsfähigkeit haben. Deswegen ist hier die sog. Ionisierungsdichte extrem hoch, soll heißen, die volle Dröhnung entlädt sich auf verhältnismäßig wenig durchstrahlter Körpermasse.
Bei den hocherngetischen Korpuskular- Strahlern (alpha / beta) sind Zelldefekte und DNS- Doppelstrangbrüche möglich. Übel.

Anders bei Gamma; wegen deren hoher Durchdringungsfähigkeit wird viel mehr Gewebe- „Volumen“ durchflutet, und daher fallen die Schäden (bei gleich angenommener Einfall- Energie!) letztlich geringer aus; die Ioniserungsdichte ist hier erheblich geringer.
Bei Gamma geht man daher nicht von einer so sehr zellschädigenden Wirkung aus (ausser beim Atomblitz u.ä. starken GAmma- Quanten).

Dosis ist definiert als Quotient Energie / Masse; strenggenommen der Diffentialquotient, da jede Gewebeart (die Masse) spezifische Absorptionseigenschaften hat.

Dosisleistung ist Dosis * Zeit * Qualitätsfaktor (QF) der Strahlungsart. Nur mit der DL kann die biologische Wirksamkeit der aufgenommenen Strahlung halbwegs beschrieben werden.
Als QF wird bei Gamma Faktor1 angenommen, bei beta 10 und bei alpha- Exposition 20. Darin drückt sich aus, dass die individuelle DL bei alpha- Dröhnung zwanzigfach höher angesetzt werden muß.

Noch was, die Gamma Dosis bei MRT- Röhre, Röntgen und Tc- 99 Behandlung in der Nuklearmedizin ist nicht zu unterschätzen! CT (nicht MRT) führt die Negativ- Liste an; Gamma und Röntgen wirken in etwa gleich.

Welche Organe sind wie empfindlich? Und wie hoch ist die Dosis beim Doktor, der den Patienten in die Röhre schieben will? Hier mal runterscrollen:
http://www.uni-bonn-radiologie.de/front_content.php?idart=430

Übrigens, die Kleidung (und Hornhaut darunter) blocken alpha komplett und fast alle beta- Strahlen.
Was beim Spazieren in Gottow in den Körper gelangt, ist die Gamma- Komponente aus Boden und Bauwerk (Reichweite mit Meßgerät verfolgen), sofern man nicht am Beton herumkloppt und den Staub einatmet.

Staubmaske nutzen und Verschleppung an den Klamotten vermeiden (Hände, Schuhsohlen).
Schneedecke ist günstig.

FA
 
Zuletzt bearbeitet:
Übrigens, die Kleidung (und Hornhaut darunter) blocken alpha komplett und fast alle beta- Strahlen.
Was beim Spazieren in Gottow in den Körper gelangt, ist die Gamma- Komponente, sofern man nicht am Beton herumkloppt und den Staub einatmet.

Danke für die Erklärungen. Nun wir haben nicht geklopft und an den Betonbrocken haben wa och nicht geleckt. ( und man hat ja auch nicht zu viel Zeit dazu, man ist ja fast nie ohne Beobachtung :wink: )

Gruß Dirk
 
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