Gentzrode: Impressionen

henning_m175

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Das ehemalige Gut „Gentzrode“ befindet etwa 3 km nördlich von Neuruppin. Gegründet im Jahr 1840, wurde die Liegenschaft 1855 von der Familie Gentz, einer Tuchmacher-, Kaufmanns- und Torfstichbesitzerfamilie zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb entwickelt. Von namhaften Architekten dieser Zeit (Carl von Diebitsch, Martin Gropius u. Heino Schmieden) wurden das Herrenhaus und der Kornspeicher im Stil des orientalisierenden Historismus gestaltet. 1880 ging Familie Gentz pleite, 1898 erfolgte der Verkauf der Liegenschaft. Gentzrode wurde zum Spekulations- und Tauschobjekt. 1934 wurde das Gut Eigentum der Wehrmacht (Aus- u. Umbau zum Schießplatz, Munitionslager). Ab 1945 (bis 1992) „kümmerte“ sich die Rote Armee um das Anwesen. In diesem Zeitraum wurden diverse Gebäude, u. a. mehrere Kasernen, 2 Plattenbauten (inzwischen wieder abgerissen!), ein Heizhaus (nur noch der Schornstein steht), eine Kaufhalle sowie erdüberdeckte Großgaragen dem Gut hinzugefügt. Wen Gentzrode interessiert, der sollte die Liegenschaft zu Fuß erkunden („Waldweg! – Frei für Forst- und Jagdbetrieb“).
Zum aktuellen Besitzer (Hans-Werner Angendohr)und dessen Zukunftsplänen für das Gut „Gentzrode“ folgender Link:

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2005/1205/lokales/0014/index.html
 
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(1) Schornstein:
Dieses „Überbleibsel“ der Zentralheizanlage befindet sich süd- südöstlich auf der Liegenschaft. Ein Schrottsammler, der gerade im bereich des Schornsteins aktiv war, erklärte mir, dass sich i. R. See / Ost, also hinter dem Schornstein, das Panzerschieß- und Übungsgelände befand, der Fund von Blindgängern u. Panzerfäusten ist dort sehr wahrscheinlich, das Betreten also durchaus mit Gefahren verbunden.
 
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(3.0) Erdüberdeckte Garagen / von Außen:
Hinter dem Pumpenhaus, i. R. See / Ost, befindet sich eines der interessantesten Einzelobjekte von Gentzrode – die erdüberdeckte Garage, die eigentlich aus 2 größeren Garageneinheiten mit einer in der Mitte befindlichen, kleineren (ich vermute mal) Wartungssektion besteht. Die beiden größeren Garagen scheinen identische Abmessungen zu haben (etwa 35m lang, 21m tief), die Abmessungen der Wartungssektion betragen etwa 9m in der Länge 21m in der Tiefe. Der aktuelle Besitzer scheint bereits Rückbauversuche vorgenommen zu haben, ein Betonteil über dem ersten Tor fehlt und gibt den Blick auf die Garagendecke frei. Bei http://www.vimudeap.de/267.html (Bild „Raketengarage“ 267_12) hat Thomas Kemnitz diese Garagen im Jahr 2003 abgelichtet. Es muss vor und gegenüber der Garage Befestigungen und Sichtschutz gegeben haben. Was (eventuell BeweglicheRaketenTechnischeBasen???) auch immer dort untergestellt war, es muß ein besonders schützenswertes „Gut“ ;) gewesen sein.
 
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(3.2) Garagenteil 2 (etwa 9m mal 21m):
Unerwartete Fundstücke (leere Ölfässer, KFZ-Bereifung) werden dort aufbewahrt.
 
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(3.3) Garagenteil 3 (etwa 35m mal 21m):
Dort befinden sich scheinbar zwei Tierfutterkrippen, der Garagenboden ist mit Unmengen von Tierlosung bedeckt, oberhalb der Tore scheint man an einer Art „Gardinenstange“ separate Vorhänge angebracht zu haben (meine persönliche Vermutung, die natürlich nicht stimmen muss).
 
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(4) Rieselfelder, Abwasserentsorgung:
Noch ein paar Schritte i. R. See / Ost kann man sehen, wie man im vergangenen Jahrhundert Abwasser geklärt bzw. entsorgt hat. Für mich im Grunde ein bekannter Anblick, da die Ruppiner Kliniken (etwa Anfang 1900 erbaut) ihre Abwässer auch mit Hilfe von „Rieselfeldern“ geklärt haben. Würde man weiter i. R. Ost gehen, käme man direkt auf den munitionsbelasteten Panzerschieß- und Übungsplatz.
 
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(5) Kornspeicher, Kapelle, landwirtschaftliches Gebäude:
In entgegengesetzter Richtung (West), quasi wieder im Zentralbereich des alten Gutes Gentzrode, findet man dieses Gebäudeensemble. Den eigentlich „heruntergekommenen“ Zustand sollen folgende Fotos beschreiben. :
 
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(6) (wahrscheinliches) Kasernengebäude gegenüber dem Gutshaus:
- 2etagig, massiv gemauert, ein Anbau i. R. Gutshaus wurde bereits zurückgebaut.
 
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(7.0) Guts- bzw. Haupthaus von Außen:
Das solideste an diesem Haus sind tatsächlich die Außenmauern, Etagendecken bestehen größtenteils aus Holzkonstruktionen, in manche Räume habe ich mich wegen vermuteter Einsturzgefahr nicht reingetraut. Der Hintereingang des Gutshauses weist eine Besonderheit auf – ein MG-Nest im Bereich des Kellerzugangs. Übrigens hätte man von hieraus direkt zu den erdüberdeckten Garagen blicken können.
 
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(7.1) Etage 1 des Haupt- bzw. Gutshauses:
Mich beschäftigt eigentlich nur eine Frage: was ging in dem Raum, wo die Kunstlederpolster umlaufend angebracht waren ab? Hat da eventuell jemand eine Antwort parat???
 
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(9) Den „Zufallsfund“ hab ich mir bis zum Schluß aufgehoben:
Fundort – Heizungskeller des Gutshauses, das zweckentfremdete Wartungsschema der Hydraulikeinheit einer mobilen Raketenabschussrampe. Die Russen hatten die Tafel (Rückseite der Wartungsanleitung) als, ich vermute mal, Werkzeughalterung an der Wand angebracht. Originaldatei des Fotos ist etwa 3,5 MB groß, selbst die kleinen kyrillischen Bezeichnungen sind entzifferbar. Schade, dass man nur 200kB – Fotos hochladen kann (in diesem speziellen Einzelfall). Und da wäre die 2. Frage, die mich seit diesem Spaziergang beschäftigt: Um welchen Typ mobiler Abschussrampen handelt es sich – die könnten ja unter Umständen in den erdüberdeckten Garagen geparkt wurden sein?

Grüße - Henning
 
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Den „Zufallsfund“ hab ich mir bis zum Schluß aufgehoben:...
Um welchen Typ mobiler Abschussrampen handelt es sich – die könnten ja unter Umständen in den erdüberdeckten Garagen geparkt wurden sein?

Henning,

wieder ein Klasse-Bericht!

UND ein SUPER-Fund! Die Abschussrampen waren Scud`s - siehe Anhang (Originalbild der Gentzroder 112. Raketenbrigade aus den Weiten des Net...)

Grüsse demo01
 
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Hallo,

mit Rakete kenne ich mich absolut nicht aus. Aber Scud-Raketen, waren das nicht auch die Art von Raketen, die der Irak im 2. Golfkrieg 1990/91, also Saddam Hussein, in Richtung Israel abgefeuert hat?

Grüße, WF
 
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@ Demo01 und @ all,

in der einzigen, mir zur Verfügung stehenden Literatur (Atomraketen - Symbole des Kalten Krieges, S. 48 - nochmals Danke an den "Verleiher") hab' ich doch tatsächlich was passendes gefunden. Startrampe 9P117M1 auf MAZ-543 Basisfahrzeug mit 450km Fahrbereich, Bewaffnung SCUD-B (8K14) mit einer Reichweite von 300km, Indienststellung 24.3.1962. Die Fahrzeugskizze sieht dem Foto von Demo01 extrem ähnlich, so dass es sich tatsächlich nur um besagte SCUD handeln kann. Muß mir jetzt erst mal den Beitrag genau durchlesen.

Grüße - Henning
 
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@Henning
Das Gutshaus wurde von der Brigade als Stabsgebäude genutzt.
Tiefergreifendere Informationen zum Standort und vor allem zum Gesamtsystem des Raketenkomplex 9K72 "Elbrus" findest du z.B. hir od. dort usw.
@Wetterfrosch
Die flogen dort nicht nur gegen Israel. Der Iraq modifizierte die Scud B, und nach den Bastellarbeiten wurde daraus die Al Hussein od.Al Abbas. Die flogen dann zwar weiter, aber die schon ohne hin ungenaue Treffgenauigkeit, sank gegen Null ab. Bei der Al Abbas war es dann schon ein "Glücksfall", wenn die überhaupt irgend wo an kam, da sie oft schon während des Fluges auseinander brach. "Dank" der zweifelhaften od. besser gesagt verzweifelten Abwehr mittels, damals noch ungeeigneter, Patriot, wurde aus der Al Hussein-Rakete eine "Al Hussein Bombe" mit einiges an höherer Zerstörungskraft, da der Sprengkopf in der Luft oft nicht zerstört werden konnte.
 
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@ hardihase:

Besten Dank für die Links zu den Themen Genzrode u. Raketenkomplex. In der Fotogalerie Deines ersten Links fiel mir folgendes (Anhang) Foto auf. Ich frage mich gerade, ob die in Gentzrode auch RSD-10 "Pionier" oder eine Weiterentwicklung etc. (mit SS-20-Raketen und einer Reichweite von um 1500km) hatten, oder ob das Foto "aus Versehen" dieser Gentzröder Galerie hinzugefügt wurde. Oder will da eventuell jemand bewußt verwirren (könnte ja auch sein). Das Foto (jetzt auf den zweiten Blick) scheint nur einer "Pionier" ähnlich zu sein, die "Pionier-Rampe" hat 6 Achsen, unteres Foto weist aber eine 7-Achsige Rampe auf. Ich blick da überhaupt nicht mehr durch. Fragen über Fragen.

Grüße - Henning
 
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