panzerzwerg
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Als ich mich im Herbst 2011 in meinem Heimatforum ("Jonastal-Verein") mit dem Thema " Die Raketenbrigaden der sowjetischen Streitkräfte" beschäftigte, bin ich im Internet auf folgende Informationen gestoßen:
Stationierungsort der 233. Raketenbrigade:
"дислокация:
г. Клинцы, Брянская обл, МВО (1946-1958)
г. Кохштедт, ГСВГ (1958-1966)
н.п. Слобудка, Пружанский р-н, БВО (1966-1989)
н.п. Заслоново, Лепельский р-н, БВО/РБ (1989-1994)"
Unterstellung der 233. Raketenbrigade:
"подчинение:
9 артиллерийский корпус прорыва РВК (1946-1954)
Воронежский военный округ
зам. министра обороны по реактивным частям и спецвооружению
командуюющий артиллерией Советской Армии
командующий артиллерией ГСВГ(1958-1964)
1 танковая армия ГСВГ (1964-1966)
28 общевойсковая армия БВО (1966-1989)
7 танковая армия БВО (1989-1993)
7 армейский армия РБ (1993)
65 армейский корпус РБ (1993-1994)"
Bemerkung:
Die Angabe zur Unterstellung der 233. Raketenbrigade muß ergänzt werden. Die Brigade war von 1961 bis 1964 der damals in der DDR stationierten 18. Gardearmee unterstellt.
Quelle: http://scucin-avia.narod.ru/dalnij/prtb/233rbr/233rbr.htm
Laut den bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Informationen wurde die 233. Raketenbrigade aber erst zu Beginn der 1960-er Jahre in die DDR verlegt.
Wenn das o. g. Jahr der Verlegung der 233. Raketenbrigade stimmen sollte, wäre die 233. Raketenbrigade die erste in die DDR verlegte sowjetische Raketenbrigade operativ-taktischer Zweckbestimmung gewesen. Bisher waren aber die Informationslage so, daß die zur 72. Ingenieurbrigade der Res. d. ObKdo gehörende 635. Raketenabteilung, stationiert in Fürstenberg, und die 638. Raketenabteilung, stationiert in Vogelsang, die ersten in der DDR stationierten Raketentruppenteile strategischer Zweckbestimmung waren.
Dieser Fakt machte mich neugierig und ich ging im Internet auf Suche nach weiteren Informationen zur 233. Raketenbrigade und wurde auf folgender Internetseite fündig.
Quelle: http://www.bestin.ru/forum/viewtopic.php?f=1&t=119&start=0&view=print
Auf dieser Seite ist unter der Überschrift "Ракетный комплекс 9К72" folgendes 77-seitiges Dokument "О РАКЕТАХ, РАКЕТНЫХ ФОРМИРОВАНИЯХ И 233-й РАКЕТНОЙ БРИГАДЕ" abgedruckt.
Nach meiner Meinung wird in diesem Dokument zweifelsfrei belegt, daß die 233. Raketenbrigade im Zeitraum 06. Sept. bis 6. Okt. 1958 in die DDR verlegt worden ist und im Verlaufe der Umrüstung auf den Raketenkomplex R-11M im Jahre 1959 auch Kernsprengköpfe erhielt, natürlich nicht sie selbst, sondern die sie sicherstellende 3652. BRTB., die Ende 1958 aus der UdSSR in die DDR nach Kochstedt verlegt worden war. Diese BRTB wurde nach Fertigstellung der Kaserne später in Dessau-Kapen stationiert.
Mit dem nachfolgenden Beitrag wird der Versuch unternommen, einige für die Forumuser, die die russische Sprache nicht ganz so beherrschen, Teile des 77-seitigen Dokumentes sinngemäß zu übersetzen. An ein zwei Stellen, füge ich zum besseren Verständnis einige erläuternde Bemerkungen und eigene Kommentare hinzu, die entsprechend gekennzeichnet sind. Nun zu dem Dokument.
Über Raketen, Raketenformationen und über die 233. Raketenbrigade - der Mutter der Raketenbrigaden der sowjetischen Landstreitkräfte
Die nachfolgenden Informationen stammen aus einem militärhistorischen Abriß der von einer ganzen Reihe Wissenschaftler der verschiedensten Wissenschaftszweige geschrieben und im Jahre 2005 in Petersburg veröffentlicht und in den darauffolgenden Jahren ergänzt wurde. Die Autoren haben diesen Abriß für die Offiziersschüler, Offiziershörer und Lehrer der Akademie als Beispiel für die Geschichte der Schaffung und Entwicklung der Raketentruppen operativ-taktischer Zweckbestimmung geschrieben.
Einführung
Auf der Grundlage des Beschlußes des Staatlichen Verteidigungskomitees Nr. 9887 vom 20. Aug. 1945 wurde die "Erste Hauptverwaltung beim Rat der Volkskommissare der UdSSR" für die Leitung der Arbeiten zur Nutzung der Atomenergie und der Produktion der Atombomben geschaffen. Mit diesem Dokument wurde der Beginn der Schaffung der Raketen-Kernwaffen in der UdSSR eingeleitet.
Der Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom 13. Mai 1946 war für die Realisierung der o. g. Aufgaben das grundlegende Dokument. In diesem Dokument wurden die praktischen Maßnahmen zur Schaffung des sowjetischen Raketenbaus, der Formierung der ersten Raketenverbände und der Beherrschung der Raketenwaffe in den sowjetischen Streitkräften festgelegt.
Die Entwicklung und die beginnende Produktion der in die Bewaffnung eingeführten Raketenkomplexe führten zur Formierung der ersten sowjetischen Raketenverbände, aber danach im Dez. 1959 zur Schaffung einer neuen Streitkräfteart, den "Raketentruppen strategischer Bestimmung" (Ракетных войск Стратегического назначения) und Anfang der 1960er Jahre zu der neuen Waffengattung "Raketentruppen und Artillerie der Landstreitkräfte" (Ракетных войск и артиллерии СВ).
Aus der Erinnerung der Raketenveteranen der 233. Raketenbrigade wird in dem 77-seitigen Dokument die Geschichte und der Kampfweg einer der sieben ersten Raketenformierungen - der 233. Ingenieurbrigade der Reserve des Oberkommandos (233-й инженерной бригады РВГК), die später in Raketenbrigade umbenannt wurde, dargestellt. Der Kampfweg der 233. RBr erfaßt die Zeit auf dem Territorium des Woronesher Militärbezirks in der Stadt Klinzy, im Brjansker Gebiet, in der GSSD und im Belorussischen Militärbezirk. Die Brigade wurde fünfmal auf immer modernere Raketenkomplex mit den Raketen Р-1 (8А11), Р-11 (8А61), Р-11М (8К11), Р-17 (8К14), die Flüssigkeitstriebwerke hatten und der Rakete 9М714 "Ока", die über ein Feststofftriebwerk verfügte.
Kurze Informationen über die Erprobung der ersten Raketen vom Typ V-2 (A-4), über die Schaffung des ersten Raketenpolygons und die Formierung der ersten Raketenverbände
Eigener Kommentar:
Die nachfolgenden Informationen habe ich eingefügt, um darauf hinzuweisen, daß die Wehrmacht nur über einen einzigen einsatzbereiten Typ ballistischer Raketen verfügte.
Die Sammlung und das Studium der technischen Dokumentation der deutschen Rakete V-2
Nach der Annahme des entsprechenden Beschlußes des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR im Jahre 1945 begannen intensive Arbeiten zur Entwicklung der Kernwaffe. Diesen wurden durch die Entwicklung, Erprobung und den Abwurf der Atombomben durch die USA auf die Städte Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 ausgelöst. Gleichzeitig war es notwendig, ein zweites, nicht weniger wichtiges Problem zu lösen, die Entwicklung der Trägermittel für Kernwaffen zu Zielen auf große Entfernungen.
Das faschistische Deutschland setzte am Ende des Zweiten Weltkrieges als erster Staat die einstufige ballistische Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk V-2 (A-4) mit einer Reichweite von 320 km und den Flügelkörper V-1 mit einer Reichweite von 360 km ein.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges begannen als erste die USA und die UdSSR auf der Basis der V-2 eigene ballistische Raketen für den Transport von Atomsprengköpfen und anderer Vernichtungsmittel auf große Entfernungen zu entwickeln.
In dem am 13. Mai 1946 erlassenen Beschluß des Ministerrates der UdSSR Nr. 1017-419 über die Schaffung und Aneignung der Raketenbewaffnung wurden den entsprechenden Ministerien, den wissenschaftlichen Organisationen und Entwicklungseinrichtungen sowie den sowjetischen Unternehmen, die sich mit dem Studium und der Aneignung der deutschen Rakete V-2 beschäftigten, die Aufgaben zur Entwicklung, Produktion und Aneignung "vaterländischer" Raketen gestellt.
Die V-2 ist eine einstufige ballistische Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk und autonomer Steuerung auf dem aktiven Teil der Flugbahn. Die Startmasse betrug ca. 13 Tonnen, die Sprengstoffmasse - 800 kg, die Länge 14 Meter, die max. Fluggeschwindigkeit bis 1.700 m/s (6.120 km/h), die Flugbahnhöhe ca. 100 km, die Flugweite bis 320 km. Der Start erfolgte aus vertikaler Lage. Der erste Gefechtsstart fand am 08. Sept. 1944 statt. Die Effektivität des Gefechtseinsatzes war sehr niedrig. Deshalb wurde die V-2 für die Zerstörung großer Objekte und die Demoralisierung der Bevölkerung Großbritanniens eingesetzt. Von 4.300 gestarteten Raketen explodierten mehr als 200 auf der Erde oder in der Luft oder fielen während des Fluges aus. Die V-2 verfügte nur über eine niedrige Treffgenauigkeit. In einem Kreis mit einem Durchmesser von 10 Kilometern trafen nur 50 % Raketen. Auf der Basis der V-2 wurde ein Projekt einer zweistufigen ballistischen Rakete mit einer Flugweite von 5.000 km entwickelt. Die Entwicklung dieser Rakete konnte aber bis zum Zeitpunkt der Niederlage Deutschlands nicht abgeschlossen werden.
Eigener Kommentar:
Dieser Hinweis auf das nicht fertiggestellte Projekt unterstreicht einmal mehr die historische Tatsache, daß es Deutschland bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gelungen ist, die Entwicklung einer stärkeren Rakete als die V-2 (A-4) es war, abzuschließen. Für die immer wieder in verschiedenen Foren und Publikationen geäußerte Vermutung, daß in Thüringen im Raum Arnstadt (Polte) eine A-3-Rakete gestartet worden ist, gibt es keinerlei tragfähige Beweise.
Zur Entwicklung eigener Raketentechnik in der UdSSR wurden führende Spezialisten von Wissenschafts-, Konstruktions- und Produktionseinrichtungen herangezogen, darunter der Chefkonstrukteur der Raketensysteme S. P. Koroljow, der Chefkonstrukteur für Flüssigkeitstriebwerke W. P. Gluschko, der Chefkonstrukteur der Funknavigation und Funklenkung M. S. Rjasanski, der Chefkonstrukteur der Boden-, Auftank-, Transport- und Starteinrichtungen W. P. Barmin, der Chefkonstrukteur der Kreiselvorrichtungen W. I. Kusnezow u.a.
Noch bevor der o. g. Beschluß der Regierung im Juli 1945 gefaßt wurde, reiste eine Gruppe führender Spezialisten für Raketenbewaffnung unter Leitung von Koroljow in die sowjetische Besatzungszone. Die Mitglieder dieser Gruppe hatten die Aufgabe, nach der über Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei verstreuten Dokumentation und den Baugruppen der V-2 zu suchen sowie deutsche V-2-Spezialisten aufzuspüren und zur Arbeit heranzuziehen.
Den Amerikanern schafften es beim Abzug aus der deutschen Stadt Nordhausen alle wertvollen Archive, alle vorhandenen Serien- und Testraketen, Geräte, Laboreinrichtungen und mehr als 500 Spezialisten mit dem Konstrukteur der Rakete A-4, Prof. Werner von Braun an der Spitze, in die USA zu schaffen.
Trotzdem gelang es mit Hilfe deutscher Spezialisten in einem der Stollen des unterirdischen Werkes im Gebiet Nordhausen die Montage der Rakete A-4 zu beginnen und die technische Dokumentation und die Muster der Geräte für die Steuerung des Fluges der Rakete vollständig wiederherzustellen.
Die Errichtung des Polygons und des wissenschaftlichen Forschungsinstitutes für reaktive Bewaffnung
Für die Erprobung und Durchführung von Raketenstarts wurde am 13. Mai 1946 der Beschluß über die Errichtung des "Staatlichen zentralen Raketenpolygons" gefaßt. Kapustin Jar wurde als einer der möglichen Plätze für die Unterbringung des künftigen Polygons in Betracht gezogen. Gltn. W. I. Wosnjuk wurde zum Kommandant des Polygons ernannt. Er wurde beauftragt den Standort des Polygons auszuwählen. Bis zu diesem Zeitpunkt begleitete W. I. Wosnjuk die Dienststellung des Stellv. für Gardegeschoßwerfer-Truppenteile bei Oberkommandierenden der Artillerie der Gruppe der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland.
Ehe General Wosnjuk den Standort für das Polygon auswählte, reiste er nach Deutschland und wählte dort "seine zuverlässigen Gardisten" für das zukünftige Polygon aus. Die Rekognoszierungsgruppe, die aus angereisten Spezialisten der GSBTD bestand, führte in kurzer Zeit die Arbeiten zur Auswahl des Platzes für das Polygon durch. Aus sieben perspektivischen Gebieten wurde das Gebiet bei der Siedlung Kapustin Jar im Astrachaner Gebiet ausgewählt.
Die Entscheidung über den Bau in Kapustin Jar wurde vom ZK der KPdSU und dem Ministerrat der UdSSR am 23. Juni 1947 getroffen. … Auf dem Polygon trafen die ersten Offiziere am 20. Aug. 1947 ein. Es kamen auch die Militärbauleute. Die Bedingungen waren sehr schwer. Die ersten Unterkünfte für Offiziere wurden erst 1948 errichtet.
Für die Forschung auf dem Gebiet des Raketenbaus wurde im Juli 1946 das wissenschaftliche Forschungsinstitut Nr. 4 (НИИ-4) der reaktiven Bewaffnung der Streitkräfte der UdSSR geschaffen. Der erste Chef des Forschungsinstitutes war Gltn. der Artillerie A. I. Nesterenko. Die Mitarbeiter des Forschungsinstitutes stellten die gesamten technische Dokumentation und die Methodik der Erprobung der Baugruppen der deutschen Rakete A-4 wieder her. Gleichzeitig wurde in sowjetischen Werken 1947 die dazu gehörigen Raketen 1947 und die erforderliche Bodenausrüstung hergestellt.
Die Formierung der ersten Raketenverbände, die Erprobung der ersten Raketen A-4 und die Ergebnisse
Im Sommer 1946 wurde in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Regierung auf dem Territorium Deutschlands der erste Raketenverband - die 22. Brigade besonderer Zweckbestimmung der Reserve des Oberkommandos (22-я бригада Особого Назначения РВГК (БрОН) aus dem 92. Garde-Raketenwerfer-Regiment in Berka formiert und dem Oberkommandierenden der Artillerie der sowjetischen Armee unterstellt.
Zum Kommandeur der Brigade wurde der Gltn. der Artillerie A. F. Twerezkij ernannt. Er war 1944 an der Front Stellv. des Oberkommandierenden der Artillerie der 4. Ukrainischen Front für Gardegeschoßwerfer-Truppenteile. Zu den Hauptaufgaben der Brigade gehörten:
Die Brigade wurde mit den besten Offizieren und Soldaten der Gardegeschoßwerfer-Truppenteile aufgefüllt. Der Personalbestand machte sich in kurzer Zeit mit den funktionellen Pflichten vertraut und war zur Durchführung von A-4-Raketenstarts bereit. Im Aug. 1947 wurde die 22. Brigade Bes. Best. nach Kapustin Jar verlegt und in den Bestand des 4. Staatlichen zentralen Polygons des Verteidigungsministeriums eingegliedert. Der Brigade folgten aus Deutschland auf das Polygon zwei Spezialzüge mit Ausrüstung für die A-4. Am 14. Okt. 1947 traf auf dem Polygon die erste Lieferung von A-4-Raketen ein, die in sowjetischen Betrieben hergestellt worden waren. Das Polygon war bereit zum Start der A-4-Raketen. Am 18. Okt. 1947 um 10:47 Uhr nach Moskauer Zeit wurde erstmalig in der Sowjetunion eine einstufige ballistische Rakete A-4 gestartet. Die Rakete stieg auf eine Höhe von 86 km und erreichte die Erdoberfläche in 274 km Entfernung vom Startplatz. Die Abweichung von der vorgegebenen Flugbahn war beträchtlich.
Insgesamt wurden im Oktober - November 1947 von der 22. Brigade Bes. Best. 11 A-4-Starts durchgeführt. Diese Starts zeigten die Unvollkommenheit der Konstruktion und die unzureichenden taktisch-technische Eigenschaften der A-4-Rakete. Es waren grundlegende konstruktive und technische Arbeiten zur Vervollkommnung der
A-4-Rakete erforderlich. Diese Arbeiten wurden von 140 Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten, 70 Spezialisten aus der Industrie, aber auch von 13 deutschen Spezialisten durchgeführt. …
Im Zeitraum von 1947 bis 1958 wurden folgende Raketenkomplexe mit operativ-taktischer Zweckbestimmung R-1, R-2, R-11, R-11M und mit strategischer Zweckbestimmung R-5 (8A61) und R-5M (8K51) entwickelt.
Am 10. Okt. 1948 erfolgte der erste Start der ersten eigenen Rakete R-1, die in den Betrieben der UdSSR hergestellt worden war.
Die nächsten Kapitel des 77-seitigen Dokumentes über die Raketenentwicklung von 1947 bis 1958 lasse ich weg, da ich davon ausgehe, daß die entsprechenden Informationen bekannt sind.
Die Formierung der ersten Raketenverbände
Wie bereits dargelegt wurde der erste Raketenverband - die 22. Brigade der Bes. Best. der Res. d. ObKdo (22 БрОН РВГК) im Aug. 1946 auf dem Territorium Deutschlands formiert und im Aug. 1947 auf das Raketenpolygon Kapustin Jar verlegt.
Die erfolgreiche Durchführung der Erprobung und die Einführung in die Bewaffnung der ersten eigenen Rakete R-1 sowie die beginnende Serienproduktion erforderten die Aufstellung neuer Raketenformationen. In Übereinstimmung mit der Direktive des Generalstabes der Streitkräfte begann im Dez. 1950 die Formierung der 23. Brigade Bes. Best. der Res. d. ObKdo (23 БрОН РВГК). … Diese 22. und 23. Brigade begannen 1952 mit der Ausbildung an der Rakete R-2.
Im Verlaufe der Jahre 1952 … 1953 wurden auf dem Polygon Kapustin Jar weitere vier Brigaden formiert und sofort mit der Rakete R-2 ausgerüstet.
Im Juni 1952 wurden formiert:
Im März 1953 wurden formiert:
Nach der Formierung und Ausbildung auf dem Polygon in Kapustin Jar wurden die 77. und 80. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo in ihren ständigen Stationierungsort in das Gebiet Schitomir (Station Belokorowitschi), in den Karpaten-Militärbezirk verlegt.
Im März 1953 wurden die Brigaden der Bes. Best. der Res. d. ObKdo in Ingenieursbrigaden der Res. d. ObKdo (инж. бр. РВГК) umbenannt und gleichzeitig neu durchnummeriert:
Bis 1955 waren die Brigaden bewaffnet mit den Raketen R-1 und R-2, ab 1957 mit den Raketen mittlerer Reichweite R-5 und R-5M, in der Folgezeit dann mit den Raketen R-12.
Nach der Formierung und Ausbildung auf dem Raketenpolygon wurde die 72. Ing.Brig. der Res. d. ObKdo in ihren ständigen Standort nach Medwed in den Leningrader Militärbezirk verlegt, während die 90. Ing.Brig. der Res. d. ObKdo in den Kiewer Militärbezirk verlegt wurde.
Die 72., 73., 85. und 90. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo wurden ab 1957 nur mit Raketen strategischer Zweckbestimmung (R-5, R-5M, R-12 usw.) ausgerüstet. Sie waren bestimmt für die Eingliederung in den Bestand der Strategischen Raketentruppen der UdSSR.
In Übereinstimmung mit der Direktive des Generalstabes der Streitkräfte wurde 1954 die 233. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo in der Stadt Klinzy im Brjansker Gebiet auf der Basis der 233. selbstständigen Brigade besonderer Feuerkraft der Res. d. ObKdo formiert.
Die 77., 80. und 233. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo wurden nur mit Raketen operativ-taktischer Zweckbestimmung (R-1, R-2, R-11 usw.) ausgerüstet. Sie waren bestimmt für die Übergabe in den Bestand der sowjetischen Landstreitkräfte. …
Die Formierung, der Werdegang und der Kampfweg der 233. Raketenbrigade
Die 233. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo wurde 1954 auf der Basis der 233. selbstständigen Brigade besonderer Feuerkraft der Res. d. ObKdo formiert. Diese Brigade war mit 305-mm-Haubitzen, Modell 1915, ausgerüstet. Die Brigade verfügte über fünf Abteilungen, jede mit drei Batterien zu je zwei Haubitzen. Die Haubitzen wurden nur auf der Eisenbahn transportiert. Die Verlegung in die Feuerstellung erfolgte auf Schmalspurbahngleisen, die extra für die Haubitzen verlegt wurden. Im Aug. 1954 wurden die Haubitzen aus der Bewaffnung genommen.
Die Formierung der 233. RBr erfolgte auf der Grundlage des Stellenplanes für Raketenbrigaden. Anfänglich gehörten zu ihr folgende Elemente:
Zum Personalbestand gehörten mehr als 2.000 Mann, darunter 25 % Offiziere. Für die Auffüllung mit Technik wurden ca. 1.000 verschiedene Fahrzeuge benötigt.
Die Formierung erfolgte von Aug. bis Dez. 1954.
Die Brigade wurde anfänglich mit dem Raketenkomplex R-1 ausgerüstet, der über eine Reichweite von 270 km verfügte. Zuerst wurde die 15. selbst. RA vollständig mit Personal und Technik ausgerüstet. Die 16. selbst. RA wurde nur mit Personal aufgefüllt. Die 33. selbst. RA erhielt aus Tarnungsgründen zeitweilig Geschoßwerfer vom Typ BMD-20 (БМД-20), der 1951 in die Bewaffnung der sowjetischen Streitkräfte eingeführt worden war. …
Ende 1956 / Anfang 1957 wurden die Raketenabteilungen mit dem Raketenkomplex R-11 ausgerüstet. …
Die 33. selbst. RA mit dem Raketenkomplex nahm am 07. Nov. 1957 an der Parade auf dem Roten Platz teil. Von der 85. RBr nahm eine selbst. RA mit dem Raketenkomplex strategischer Zweckbestimmung R-5M teil. Das war die erste Teilnahme von Raketentruppenteilen an der Parade.
Die 233. Raketenbrigade ist die "Mutter" der Raketentruppen der Landstreitkräfte
Auf der Grundlage der Direktive des Generalstabes der Streitkräfte wurden die 233., 77. und 80. RBr mit den Raketenkomplexen R-11 operativ-taktischer Zweckbestimmung aus der Unterstellung unter des Befehlshabers der Artillerie, Marschall der Artillerie M. I. Nedelin, herausgelöst und in den Bestand der Landstreitkräfte übergeben.
Die 233. RBr wurde im Sept. 1958 mittels Eisenbahntransport zur GSSD nach Deutschland verlegt. …
Die in Aufstellung befindlichen Raketenbrigaden der Fronten und Armeen wurden mit Raketenkomplexen R-11 ausgerüstet. Ab 01. April 1958 wurde in die Bewaffnung der Raketenkomplex R-11M (8K11) mit Kernsprengkopf aufgenommen, mit denen auch die Brigaden mit ihren Eintreffen in der Truppe ausgerüstet wurden.
Im Mai 1958 flog eine Rekognoszierungsgruppe der 233. RBr unter der Führung des Brigadekommandeurs, Generalmajor der Artillerie A. K. Dudik, unter großer Geheimhaltung vor dem Personalbestand in die GSSD um die Eignung der ausgewählten "Militärstädtchen" in DDR für die Unterbringung der Truppenteile und Einheiten der Brigade zu besichtigen.
Die Verlegung der 233. Raketenbrigade in den Bestand der GSSD
Unter den Bedingungen strengster Geheimhaltung begann die Vorbereitung zur Verlegung der Brigade im Eisenbahntransport in die GSSD. Ende August war die Brigade bereit zur Verlegung. …
Zum Empfang der Transporte und der Unterbringung der ankommenden Truppenteile und Einheiten in den Standorten in der GSSD wurde eine operative Gruppe der 233. RBr unter der Führung des Stellv. des Brigadekommandeurs und des Stellv. für Technische Ausrüstung voraus geschickt.
Die Eisenbahntransporte der Brigade wurden als Transporte von Panzertruppen getarnt. Die Artillerieabzeichen des Personalbestandes wurden gegen Panzerabzeichen getauscht. Die gesamte auf der Eisenbahn verladene Raketentechnik, die großen Spezialfahrzeuge usw. wurden getarnt. …
Die Brigade wurde mit 16 Eisenbahntransporten verlegt, ein Transport pro Tag. Der erste Zug fuhr am 01. Sept. 1958 ab. Der Brigadekommandeur verblieb bis zum letzten Transport in Klinzy. Am 16. Sept. fuhr der letzte Transport ab. Die Züge wurden auf nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Flugplätzen und anderen Basen der GSSD entladen.
Fortsetzung folgt.
Panzerzwerg
Stationierungsort der 233. Raketenbrigade:
"дислокация:
г. Клинцы, Брянская обл, МВО (1946-1958)
г. Кохштедт, ГСВГ (1958-1966)
н.п. Слобудка, Пружанский р-н, БВО (1966-1989)
н.п. Заслоново, Лепельский р-н, БВО/РБ (1989-1994)"
Unterstellung der 233. Raketenbrigade:
"подчинение:
9 артиллерийский корпус прорыва РВК (1946-1954)
Воронежский военный округ
зам. министра обороны по реактивным частям и спецвооружению
командуюющий артиллерией Советской Армии
командующий артиллерией ГСВГ(1958-1964)
1 танковая армия ГСВГ (1964-1966)
28 общевойсковая армия БВО (1966-1989)
7 танковая армия БВО (1989-1993)
7 армейский армия РБ (1993)
65 армейский корпус РБ (1993-1994)"
Bemerkung:
Die Angabe zur Unterstellung der 233. Raketenbrigade muß ergänzt werden. Die Brigade war von 1961 bis 1964 der damals in der DDR stationierten 18. Gardearmee unterstellt.
Quelle: http://scucin-avia.narod.ru/dalnij/prtb/233rbr/233rbr.htm
Laut den bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Informationen wurde die 233. Raketenbrigade aber erst zu Beginn der 1960-er Jahre in die DDR verlegt.
Wenn das o. g. Jahr der Verlegung der 233. Raketenbrigade stimmen sollte, wäre die 233. Raketenbrigade die erste in die DDR verlegte sowjetische Raketenbrigade operativ-taktischer Zweckbestimmung gewesen. Bisher waren aber die Informationslage so, daß die zur 72. Ingenieurbrigade der Res. d. ObKdo gehörende 635. Raketenabteilung, stationiert in Fürstenberg, und die 638. Raketenabteilung, stationiert in Vogelsang, die ersten in der DDR stationierten Raketentruppenteile strategischer Zweckbestimmung waren.
Dieser Fakt machte mich neugierig und ich ging im Internet auf Suche nach weiteren Informationen zur 233. Raketenbrigade und wurde auf folgender Internetseite fündig.
Quelle: http://www.bestin.ru/forum/viewtopic.php?f=1&t=119&start=0&view=print
Auf dieser Seite ist unter der Überschrift "Ракетный комплекс 9К72" folgendes 77-seitiges Dokument "О РАКЕТАХ, РАКЕТНЫХ ФОРМИРОВАНИЯХ И 233-й РАКЕТНОЙ БРИГАДЕ" abgedruckt.
Nach meiner Meinung wird in diesem Dokument zweifelsfrei belegt, daß die 233. Raketenbrigade im Zeitraum 06. Sept. bis 6. Okt. 1958 in die DDR verlegt worden ist und im Verlaufe der Umrüstung auf den Raketenkomplex R-11M im Jahre 1959 auch Kernsprengköpfe erhielt, natürlich nicht sie selbst, sondern die sie sicherstellende 3652. BRTB., die Ende 1958 aus der UdSSR in die DDR nach Kochstedt verlegt worden war. Diese BRTB wurde nach Fertigstellung der Kaserne später in Dessau-Kapen stationiert.
Mit dem nachfolgenden Beitrag wird der Versuch unternommen, einige für die Forumuser, die die russische Sprache nicht ganz so beherrschen, Teile des 77-seitigen Dokumentes sinngemäß zu übersetzen. An ein zwei Stellen, füge ich zum besseren Verständnis einige erläuternde Bemerkungen und eigene Kommentare hinzu, die entsprechend gekennzeichnet sind. Nun zu dem Dokument.
Über Raketen, Raketenformationen und über die 233. Raketenbrigade - der Mutter der Raketenbrigaden der sowjetischen Landstreitkräfte
Die nachfolgenden Informationen stammen aus einem militärhistorischen Abriß der von einer ganzen Reihe Wissenschaftler der verschiedensten Wissenschaftszweige geschrieben und im Jahre 2005 in Petersburg veröffentlicht und in den darauffolgenden Jahren ergänzt wurde. Die Autoren haben diesen Abriß für die Offiziersschüler, Offiziershörer und Lehrer der Akademie als Beispiel für die Geschichte der Schaffung und Entwicklung der Raketentruppen operativ-taktischer Zweckbestimmung geschrieben.
Einführung
Auf der Grundlage des Beschlußes des Staatlichen Verteidigungskomitees Nr. 9887 vom 20. Aug. 1945 wurde die "Erste Hauptverwaltung beim Rat der Volkskommissare der UdSSR" für die Leitung der Arbeiten zur Nutzung der Atomenergie und der Produktion der Atombomben geschaffen. Mit diesem Dokument wurde der Beginn der Schaffung der Raketen-Kernwaffen in der UdSSR eingeleitet.
Der Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom 13. Mai 1946 war für die Realisierung der o. g. Aufgaben das grundlegende Dokument. In diesem Dokument wurden die praktischen Maßnahmen zur Schaffung des sowjetischen Raketenbaus, der Formierung der ersten Raketenverbände und der Beherrschung der Raketenwaffe in den sowjetischen Streitkräften festgelegt.
Die Entwicklung und die beginnende Produktion der in die Bewaffnung eingeführten Raketenkomplexe führten zur Formierung der ersten sowjetischen Raketenverbände, aber danach im Dez. 1959 zur Schaffung einer neuen Streitkräfteart, den "Raketentruppen strategischer Bestimmung" (Ракетных войск Стратегического назначения) und Anfang der 1960er Jahre zu der neuen Waffengattung "Raketentruppen und Artillerie der Landstreitkräfte" (Ракетных войск и артиллерии СВ).
Aus der Erinnerung der Raketenveteranen der 233. Raketenbrigade wird in dem 77-seitigen Dokument die Geschichte und der Kampfweg einer der sieben ersten Raketenformierungen - der 233. Ingenieurbrigade der Reserve des Oberkommandos (233-й инженерной бригады РВГК), die später in Raketenbrigade umbenannt wurde, dargestellt. Der Kampfweg der 233. RBr erfaßt die Zeit auf dem Territorium des Woronesher Militärbezirks in der Stadt Klinzy, im Brjansker Gebiet, in der GSSD und im Belorussischen Militärbezirk. Die Brigade wurde fünfmal auf immer modernere Raketenkomplex mit den Raketen Р-1 (8А11), Р-11 (8А61), Р-11М (8К11), Р-17 (8К14), die Flüssigkeitstriebwerke hatten und der Rakete 9М714 "Ока", die über ein Feststofftriebwerk verfügte.
Kurze Informationen über die Erprobung der ersten Raketen vom Typ V-2 (A-4), über die Schaffung des ersten Raketenpolygons und die Formierung der ersten Raketenverbände
Eigener Kommentar:
Die nachfolgenden Informationen habe ich eingefügt, um darauf hinzuweisen, daß die Wehrmacht nur über einen einzigen einsatzbereiten Typ ballistischer Raketen verfügte.
Die Sammlung und das Studium der technischen Dokumentation der deutschen Rakete V-2
Nach der Annahme des entsprechenden Beschlußes des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR im Jahre 1945 begannen intensive Arbeiten zur Entwicklung der Kernwaffe. Diesen wurden durch die Entwicklung, Erprobung und den Abwurf der Atombomben durch die USA auf die Städte Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 ausgelöst. Gleichzeitig war es notwendig, ein zweites, nicht weniger wichtiges Problem zu lösen, die Entwicklung der Trägermittel für Kernwaffen zu Zielen auf große Entfernungen.
Das faschistische Deutschland setzte am Ende des Zweiten Weltkrieges als erster Staat die einstufige ballistische Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk V-2 (A-4) mit einer Reichweite von 320 km und den Flügelkörper V-1 mit einer Reichweite von 360 km ein.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges begannen als erste die USA und die UdSSR auf der Basis der V-2 eigene ballistische Raketen für den Transport von Atomsprengköpfen und anderer Vernichtungsmittel auf große Entfernungen zu entwickeln.
In dem am 13. Mai 1946 erlassenen Beschluß des Ministerrates der UdSSR Nr. 1017-419 über die Schaffung und Aneignung der Raketenbewaffnung wurden den entsprechenden Ministerien, den wissenschaftlichen Organisationen und Entwicklungseinrichtungen sowie den sowjetischen Unternehmen, die sich mit dem Studium und der Aneignung der deutschen Rakete V-2 beschäftigten, die Aufgaben zur Entwicklung, Produktion und Aneignung "vaterländischer" Raketen gestellt.
Die V-2 ist eine einstufige ballistische Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk und autonomer Steuerung auf dem aktiven Teil der Flugbahn. Die Startmasse betrug ca. 13 Tonnen, die Sprengstoffmasse - 800 kg, die Länge 14 Meter, die max. Fluggeschwindigkeit bis 1.700 m/s (6.120 km/h), die Flugbahnhöhe ca. 100 km, die Flugweite bis 320 km. Der Start erfolgte aus vertikaler Lage. Der erste Gefechtsstart fand am 08. Sept. 1944 statt. Die Effektivität des Gefechtseinsatzes war sehr niedrig. Deshalb wurde die V-2 für die Zerstörung großer Objekte und die Demoralisierung der Bevölkerung Großbritanniens eingesetzt. Von 4.300 gestarteten Raketen explodierten mehr als 200 auf der Erde oder in der Luft oder fielen während des Fluges aus. Die V-2 verfügte nur über eine niedrige Treffgenauigkeit. In einem Kreis mit einem Durchmesser von 10 Kilometern trafen nur 50 % Raketen. Auf der Basis der V-2 wurde ein Projekt einer zweistufigen ballistischen Rakete mit einer Flugweite von 5.000 km entwickelt. Die Entwicklung dieser Rakete konnte aber bis zum Zeitpunkt der Niederlage Deutschlands nicht abgeschlossen werden.
Eigener Kommentar:
Dieser Hinweis auf das nicht fertiggestellte Projekt unterstreicht einmal mehr die historische Tatsache, daß es Deutschland bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gelungen ist, die Entwicklung einer stärkeren Rakete als die V-2 (A-4) es war, abzuschließen. Für die immer wieder in verschiedenen Foren und Publikationen geäußerte Vermutung, daß in Thüringen im Raum Arnstadt (Polte) eine A-3-Rakete gestartet worden ist, gibt es keinerlei tragfähige Beweise.
Zur Entwicklung eigener Raketentechnik in der UdSSR wurden führende Spezialisten von Wissenschafts-, Konstruktions- und Produktionseinrichtungen herangezogen, darunter der Chefkonstrukteur der Raketensysteme S. P. Koroljow, der Chefkonstrukteur für Flüssigkeitstriebwerke W. P. Gluschko, der Chefkonstrukteur der Funknavigation und Funklenkung M. S. Rjasanski, der Chefkonstrukteur der Boden-, Auftank-, Transport- und Starteinrichtungen W. P. Barmin, der Chefkonstrukteur der Kreiselvorrichtungen W. I. Kusnezow u.a.
Noch bevor der o. g. Beschluß der Regierung im Juli 1945 gefaßt wurde, reiste eine Gruppe führender Spezialisten für Raketenbewaffnung unter Leitung von Koroljow in die sowjetische Besatzungszone. Die Mitglieder dieser Gruppe hatten die Aufgabe, nach der über Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei verstreuten Dokumentation und den Baugruppen der V-2 zu suchen sowie deutsche V-2-Spezialisten aufzuspüren und zur Arbeit heranzuziehen.
Den Amerikanern schafften es beim Abzug aus der deutschen Stadt Nordhausen alle wertvollen Archive, alle vorhandenen Serien- und Testraketen, Geräte, Laboreinrichtungen und mehr als 500 Spezialisten mit dem Konstrukteur der Rakete A-4, Prof. Werner von Braun an der Spitze, in die USA zu schaffen.
Trotzdem gelang es mit Hilfe deutscher Spezialisten in einem der Stollen des unterirdischen Werkes im Gebiet Nordhausen die Montage der Rakete A-4 zu beginnen und die technische Dokumentation und die Muster der Geräte für die Steuerung des Fluges der Rakete vollständig wiederherzustellen.
Die Errichtung des Polygons und des wissenschaftlichen Forschungsinstitutes für reaktive Bewaffnung
Für die Erprobung und Durchführung von Raketenstarts wurde am 13. Mai 1946 der Beschluß über die Errichtung des "Staatlichen zentralen Raketenpolygons" gefaßt. Kapustin Jar wurde als einer der möglichen Plätze für die Unterbringung des künftigen Polygons in Betracht gezogen. Gltn. W. I. Wosnjuk wurde zum Kommandant des Polygons ernannt. Er wurde beauftragt den Standort des Polygons auszuwählen. Bis zu diesem Zeitpunkt begleitete W. I. Wosnjuk die Dienststellung des Stellv. für Gardegeschoßwerfer-Truppenteile bei Oberkommandierenden der Artillerie der Gruppe der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland.
Ehe General Wosnjuk den Standort für das Polygon auswählte, reiste er nach Deutschland und wählte dort "seine zuverlässigen Gardisten" für das zukünftige Polygon aus. Die Rekognoszierungsgruppe, die aus angereisten Spezialisten der GSBTD bestand, führte in kurzer Zeit die Arbeiten zur Auswahl des Platzes für das Polygon durch. Aus sieben perspektivischen Gebieten wurde das Gebiet bei der Siedlung Kapustin Jar im Astrachaner Gebiet ausgewählt.
Die Entscheidung über den Bau in Kapustin Jar wurde vom ZK der KPdSU und dem Ministerrat der UdSSR am 23. Juni 1947 getroffen. … Auf dem Polygon trafen die ersten Offiziere am 20. Aug. 1947 ein. Es kamen auch die Militärbauleute. Die Bedingungen waren sehr schwer. Die ersten Unterkünfte für Offiziere wurden erst 1948 errichtet.
Für die Forschung auf dem Gebiet des Raketenbaus wurde im Juli 1946 das wissenschaftliche Forschungsinstitut Nr. 4 (НИИ-4) der reaktiven Bewaffnung der Streitkräfte der UdSSR geschaffen. Der erste Chef des Forschungsinstitutes war Gltn. der Artillerie A. I. Nesterenko. Die Mitarbeiter des Forschungsinstitutes stellten die gesamten technische Dokumentation und die Methodik der Erprobung der Baugruppen der deutschen Rakete A-4 wieder her. Gleichzeitig wurde in sowjetischen Werken 1947 die dazu gehörigen Raketen 1947 und die erforderliche Bodenausrüstung hergestellt.
Die Formierung der ersten Raketenverbände, die Erprobung der ersten Raketen A-4 und die Ergebnisse
Im Sommer 1946 wurde in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Regierung auf dem Territorium Deutschlands der erste Raketenverband - die 22. Brigade besonderer Zweckbestimmung der Reserve des Oberkommandos (22-я бригада Особого Назначения РВГК (БрОН) aus dem 92. Garde-Raketenwerfer-Regiment in Berka formiert und dem Oberkommandierenden der Artillerie der sowjetischen Armee unterstellt.
Zum Kommandeur der Brigade wurde der Gltn. der Artillerie A. F. Twerezkij ernannt. Er war 1944 an der Front Stellv. des Oberkommandierenden der Artillerie der 4. Ukrainischen Front für Gardegeschoßwerfer-Truppenteile. Zu den Hauptaufgaben der Brigade gehörten:
- die Durchführung von Versuchsstarts von gelenkten ballistischen Raketen großer Reichweite,
- die Entwicklung neuer Munition (Gefechtsköpfe) für Raketen und
- die Er- bzw. Bearbeitung der technischen Dokumentation für die in die Truppen eingeführte Raketentechnik.
Die Brigade wurde mit den besten Offizieren und Soldaten der Gardegeschoßwerfer-Truppenteile aufgefüllt. Der Personalbestand machte sich in kurzer Zeit mit den funktionellen Pflichten vertraut und war zur Durchführung von A-4-Raketenstarts bereit. Im Aug. 1947 wurde die 22. Brigade Bes. Best. nach Kapustin Jar verlegt und in den Bestand des 4. Staatlichen zentralen Polygons des Verteidigungsministeriums eingegliedert. Der Brigade folgten aus Deutschland auf das Polygon zwei Spezialzüge mit Ausrüstung für die A-4. Am 14. Okt. 1947 traf auf dem Polygon die erste Lieferung von A-4-Raketen ein, die in sowjetischen Betrieben hergestellt worden waren. Das Polygon war bereit zum Start der A-4-Raketen. Am 18. Okt. 1947 um 10:47 Uhr nach Moskauer Zeit wurde erstmalig in der Sowjetunion eine einstufige ballistische Rakete A-4 gestartet. Die Rakete stieg auf eine Höhe von 86 km und erreichte die Erdoberfläche in 274 km Entfernung vom Startplatz. Die Abweichung von der vorgegebenen Flugbahn war beträchtlich.
Insgesamt wurden im Oktober - November 1947 von der 22. Brigade Bes. Best. 11 A-4-Starts durchgeführt. Diese Starts zeigten die Unvollkommenheit der Konstruktion und die unzureichenden taktisch-technische Eigenschaften der A-4-Rakete. Es waren grundlegende konstruktive und technische Arbeiten zur Vervollkommnung der
A-4-Rakete erforderlich. Diese Arbeiten wurden von 140 Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten, 70 Spezialisten aus der Industrie, aber auch von 13 deutschen Spezialisten durchgeführt. …
Im Zeitraum von 1947 bis 1958 wurden folgende Raketenkomplexe mit operativ-taktischer Zweckbestimmung R-1, R-2, R-11, R-11M und mit strategischer Zweckbestimmung R-5 (8A61) und R-5M (8K51) entwickelt.
Am 10. Okt. 1948 erfolgte der erste Start der ersten eigenen Rakete R-1, die in den Betrieben der UdSSR hergestellt worden war.
Die nächsten Kapitel des 77-seitigen Dokumentes über die Raketenentwicklung von 1947 bis 1958 lasse ich weg, da ich davon ausgehe, daß die entsprechenden Informationen bekannt sind.
Die Formierung der ersten Raketenverbände
Wie bereits dargelegt wurde der erste Raketenverband - die 22. Brigade der Bes. Best. der Res. d. ObKdo (22 БрОН РВГК) im Aug. 1946 auf dem Territorium Deutschlands formiert und im Aug. 1947 auf das Raketenpolygon Kapustin Jar verlegt.
Die erfolgreiche Durchführung der Erprobung und die Einführung in die Bewaffnung der ersten eigenen Rakete R-1 sowie die beginnende Serienproduktion erforderten die Aufstellung neuer Raketenformationen. In Übereinstimmung mit der Direktive des Generalstabes der Streitkräfte begann im Dez. 1950 die Formierung der 23. Brigade Bes. Best. der Res. d. ObKdo (23 БрОН РВГК). … Diese 22. und 23. Brigade begannen 1952 mit der Ausbildung an der Rakete R-2.
Im Verlaufe der Jahre 1952 … 1953 wurden auf dem Polygon Kapustin Jar weitere vier Brigaden formiert und sofort mit der Rakete R-2 ausgerüstet.
Im Juni 1952 wurden formiert:
- die 54. Brigade der Bes. Best. der Res. d. ObKdo (54 БрОН РВГК) und
- die 56. Brigade der Bes. Best. der Res. d. ObKdo (56 БрОН РВГК).
Im März 1953 wurden formiert:
- die 77. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo und
- die 80. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo.
Nach der Formierung und Ausbildung auf dem Polygon in Kapustin Jar wurden die 77. und 80. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo in ihren ständigen Stationierungsort in das Gebiet Schitomir (Station Belokorowitschi), in den Karpaten-Militärbezirk verlegt.
Im März 1953 wurden die Brigaden der Bes. Best. der Res. d. ObKdo in Ingenieursbrigaden der Res. d. ObKdo (инж. бр. РВГК) umbenannt und gleichzeitig neu durchnummeriert:
- die 22. Brigade wurde zur 72. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo,
- die 23. Brigade wurde zur 73. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo,
- die 54. Brigade wurde zur 85. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo und
- die 56. Brigade wurde zur 90. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo.
Bis 1955 waren die Brigaden bewaffnet mit den Raketen R-1 und R-2, ab 1957 mit den Raketen mittlerer Reichweite R-5 und R-5M, in der Folgezeit dann mit den Raketen R-12.
Nach der Formierung und Ausbildung auf dem Raketenpolygon wurde die 72. Ing.Brig. der Res. d. ObKdo in ihren ständigen Standort nach Medwed in den Leningrader Militärbezirk verlegt, während die 90. Ing.Brig. der Res. d. ObKdo in den Kiewer Militärbezirk verlegt wurde.
Die 72., 73., 85. und 90. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo wurden ab 1957 nur mit Raketen strategischer Zweckbestimmung (R-5, R-5M, R-12 usw.) ausgerüstet. Sie waren bestimmt für die Eingliederung in den Bestand der Strategischen Raketentruppen der UdSSR.
In Übereinstimmung mit der Direktive des Generalstabes der Streitkräfte wurde 1954 die 233. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo in der Stadt Klinzy im Brjansker Gebiet auf der Basis der 233. selbstständigen Brigade besonderer Feuerkraft der Res. d. ObKdo formiert.
Die 77., 80. und 233. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo wurden nur mit Raketen operativ-taktischer Zweckbestimmung (R-1, R-2, R-11 usw.) ausgerüstet. Sie waren bestimmt für die Übergabe in den Bestand der sowjetischen Landstreitkräfte. …
Die Formierung, der Werdegang und der Kampfweg der 233. Raketenbrigade
Die 233. Ingenieursbrigade der Res. d. ObKdo wurde 1954 auf der Basis der 233. selbstständigen Brigade besonderer Feuerkraft der Res. d. ObKdo formiert. Diese Brigade war mit 305-mm-Haubitzen, Modell 1915, ausgerüstet. Die Brigade verfügte über fünf Abteilungen, jede mit drei Batterien zu je zwei Haubitzen. Die Haubitzen wurden nur auf der Eisenbahn transportiert. Die Verlegung in die Feuerstellung erfolgte auf Schmalspurbahngleisen, die extra für die Haubitzen verlegt wurden. Im Aug. 1954 wurden die Haubitzen aus der Bewaffnung genommen.
Die Formierung der 233. RBr erfolgte auf der Grundlage des Stellenplanes für Raketenbrigaden. Anfänglich gehörten zu ihr folgende Elemente:
- Brigadeführung
- 15. selbst. Raketenabteilung
- 16. selbst. Raketenabteilung
- 33. selbst. Raketenabteilung
- Einheiten der Gefechtssicherstellung
- Einheiten der rückwärtigen Sicherstellung
Zum Personalbestand gehörten mehr als 2.000 Mann, darunter 25 % Offiziere. Für die Auffüllung mit Technik wurden ca. 1.000 verschiedene Fahrzeuge benötigt.
Die Formierung erfolgte von Aug. bis Dez. 1954.
Die Brigade wurde anfänglich mit dem Raketenkomplex R-1 ausgerüstet, der über eine Reichweite von 270 km verfügte. Zuerst wurde die 15. selbst. RA vollständig mit Personal und Technik ausgerüstet. Die 16. selbst. RA wurde nur mit Personal aufgefüllt. Die 33. selbst. RA erhielt aus Tarnungsgründen zeitweilig Geschoßwerfer vom Typ BMD-20 (БМД-20), der 1951 in die Bewaffnung der sowjetischen Streitkräfte eingeführt worden war. …
Ende 1956 / Anfang 1957 wurden die Raketenabteilungen mit dem Raketenkomplex R-11 ausgerüstet. …
Die 33. selbst. RA mit dem Raketenkomplex nahm am 07. Nov. 1957 an der Parade auf dem Roten Platz teil. Von der 85. RBr nahm eine selbst. RA mit dem Raketenkomplex strategischer Zweckbestimmung R-5M teil. Das war die erste Teilnahme von Raketentruppenteilen an der Parade.
Die 233. Raketenbrigade ist die "Mutter" der Raketentruppen der Landstreitkräfte
Auf der Grundlage der Direktive des Generalstabes der Streitkräfte wurden die 233., 77. und 80. RBr mit den Raketenkomplexen R-11 operativ-taktischer Zweckbestimmung aus der Unterstellung unter des Befehlshabers der Artillerie, Marschall der Artillerie M. I. Nedelin, herausgelöst und in den Bestand der Landstreitkräfte übergeben.
Die 233. RBr wurde im Sept. 1958 mittels Eisenbahntransport zur GSSD nach Deutschland verlegt. …
Die in Aufstellung befindlichen Raketenbrigaden der Fronten und Armeen wurden mit Raketenkomplexen R-11 ausgerüstet. Ab 01. April 1958 wurde in die Bewaffnung der Raketenkomplex R-11M (8K11) mit Kernsprengkopf aufgenommen, mit denen auch die Brigaden mit ihren Eintreffen in der Truppe ausgerüstet wurden.
Im Mai 1958 flog eine Rekognoszierungsgruppe der 233. RBr unter der Führung des Brigadekommandeurs, Generalmajor der Artillerie A. K. Dudik, unter großer Geheimhaltung vor dem Personalbestand in die GSSD um die Eignung der ausgewählten "Militärstädtchen" in DDR für die Unterbringung der Truppenteile und Einheiten der Brigade zu besichtigen.
Die Verlegung der 233. Raketenbrigade in den Bestand der GSSD
Unter den Bedingungen strengster Geheimhaltung begann die Vorbereitung zur Verlegung der Brigade im Eisenbahntransport in die GSSD. Ende August war die Brigade bereit zur Verlegung. …
Zum Empfang der Transporte und der Unterbringung der ankommenden Truppenteile und Einheiten in den Standorten in der GSSD wurde eine operative Gruppe der 233. RBr unter der Führung des Stellv. des Brigadekommandeurs und des Stellv. für Technische Ausrüstung voraus geschickt.
Die Eisenbahntransporte der Brigade wurden als Transporte von Panzertruppen getarnt. Die Artillerieabzeichen des Personalbestandes wurden gegen Panzerabzeichen getauscht. Die gesamte auf der Eisenbahn verladene Raketentechnik, die großen Spezialfahrzeuge usw. wurden getarnt. …
Die Brigade wurde mit 16 Eisenbahntransporten verlegt, ein Transport pro Tag. Der erste Zug fuhr am 01. Sept. 1958 ab. Der Brigadekommandeur verblieb bis zum letzten Transport in Klinzy. Am 16. Sept. fuhr der letzte Transport ab. Die Züge wurden auf nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Flugplätzen und anderen Basen der GSSD entladen.
Fortsetzung folgt.
Panzerzwerg