Chemiewaffen der GSSD/WGT in der DDR?

Martin Kaule

Administrator
In der ZDF-Historie Dokumentation »Ground Zero Deutschland« wird ab 31:45 berichtet das Bodenanalysen ergeben haben, das auch Chemiewaffen der GSSD in der DDR lagerten. Kann jemand die Quelle bestätigen und wenn ja, was zu den Standorten sagen?

Link in die Mediathek:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1880590/Ground-Zero-Deutschland



Die US-Streitkräfte lagerten in der BRD im Depot in Clausen. Diesen Standort konnten wir bei einer Exkursion besichtigen:

Link zum Sonderwaffenlager Clausen:
http://forum.hidden-places.de/showthread.php/7554-Clausen-US-Giftgaslager?highlight=clausen

BG
Martin
 
Kleiner Literaturhinweis -> http://www.nomos-shop.de/Krause-Mal...rin-Sowjetunion/productview.aspx?product=4415 . Kernaussage in diesem Buch: Ja, die sowjetischen Militärs waren einmal ganz vernarrt in die chemische Waffe. Irgendwann in den 1970er Jahren ließ dann das Interesse an dieser Waffe und deren Einsatz schlagartig nach. Während für die Waffensysteme der Raketentruppen und Artillerie aus den 1960er Jahren ab einem bestimmten Kaliber (122 mm) ein relativ vollständiges Arsenal an chemischen Gefechtsladungen hergestellt wurde, fehlt dieses Arsenal für Waffensysteme aus den 1980er Jahren wie den operativ-taktischen Raketenkomplex 9K714 OKA (SS-23) vollständig. Bedingt durch das abnehmende Interesse an einem Einsatz chemischer Waffen verringerte sich zugleich der Sinn von Chemiewaffenlagern außerhalb des sowjetischen Territoriums. Es ist daher sehr fraglich, dass zumindest nach 1986 sowjetische Chemiewaffen außerhalb der Sowjetunion lagerten. Die sowjetischen Parteiführer haben die Existenz derartiger Waffen außerhalb der Sowjetunion auch immer bestritten. Anders als im Falle der Kernwaffen waren die Verbündeten der Sowjetunion im Warschauer Pakt schon rein technisch nicht auf den Einsatz von Chemiewaffen vorbereitet. So fehlten z. B. in den Startrampen für operativ-taktische Raketen die Pultapparaturen zur Vorbereitung und Überprüfung von chemischen Gefechtsköpfen. Eine Bevorratung von chemischen Ladungen außerhalb der Sowjetunion war also auch nicht zum Zwecke der Erfüllung von Bündnisaufgaben geboten.
 
Hallo Martin,

das Thema hat mich vor einiger Zeit auch schon mal beschäftigt. Aber auf nachfragen bei einigen Leuten erhielt ich auch keine befriedigenden Antworten.
Ich dachte immer, wenn man mit Raketen atomare Sprengköpfe verschießen kann, kann man auch chemische/biologische Sprengköpfe verschießen.
Aber ein Lager von chemischen/biologischen Kampfstoffen der russ. Streitkräfte ist mir auch nicht bekannt.

BP
 
Ebenfalls von mir ein kleiner Literaturhinweis:

In dem nachfolgenden Buch von Л.А. Федоров

"ХИМИЧЕСКОЕ ВООРУЖЕНИЕ — ВОЙНА С СОБСТВЕННЫМ НАРОДОМ
(ТРАГИЧЕСКИЙ РОССИЙСКИЙ ОПЫТ)", В трёх томах, Том I, Долгий путь к химической войне, МОСКВА
2009

ist auf den Seiten 307 - 310 eine Tabelle mitdem Bestand der chemischen Munition der sowjetischen Streitkräfte mit Stand von 1987 aufgeführt.

Nelson2110 hat recht, es sind keine chemischen Gefechtsköpfe für den Raketenkomplex 9K714 OKA (SS-23) aufgeführt, dafür aber für den taktischen Raketenkomplex 9K52, FROG-7W) 401 Stück, für den taktischen Raketenkomplex 9K79 (SS-21) 94 Stück und für den operativ-taktischen Raketenkomplex 8K14 (SCUD-B, SS-1c) 317 Stück. Diese Gefechtsköpfe waren mit V-Kampfstoff gefüllt. Dann gab es noch 39 chemische Gefechtsköpfe für den taktischen Raketenkomplex 9K79 (SS-21), die mit Soman gefüllt waren.

Für den Geschoßwerfer 9K57 "URAGAN" (Startfahrzeug 9P140) waren u.a. 3.960 mit Soman gefüllte Gefechtsköpfe vorhanden. Dieser Geschoßwerfer befand sich auch in der Ausrüstung der GSSD/WGT, z. B. in der 34. Artilleriedivision gehörenden 307. Geschoßwerferbrigade in Karl-Marx-Stadt.

Für den Geschoßwerfer BM 21 "Grad" waren u.a. vorhanden:

  • 313.942 mit Soman gefüllte Gefechtsköpfe,
  • 514.097 mit Sarin gefüllte Gefechtsköpfe usw.

Die Aufzählung der für die 122-mm-, 130-mm- und 152-mm-Artilleriesysteme vorhandenen Anzahlen an Chemische Granaten sowie für Luftstreitkräfte vorhandenen Bomben erspare ich mir an dieser Stelle.

In dem o.g. Buch steht auf der Seite 336 folgender Satz:

"В сентябре (Anm.d.Verf. 1985) ЦК КПСС был вынужден решать проблему тайного возврата советского химоружия из зарубежных стран на территорию СССР, разумеется, под пропагандистскими предлогами."

Dieser Satz sagt meiner Meinung eindeutig aus, daß die UdSSR zumindest bis Mitte der 1980er Jahre im Ausland Chemiewaffen stationiert hatte, aber wie schon Nelson2110 in seinem Beitrag richtigerweise dargelegt hat, ist die Stationierung von Chemiewaffen nach 1986 sehr fraglich und bisher nicht belegbar.

Panzermann
 
Als Ergänzung zu @panzerzwerg:

Im Oktober 1987 wurden dem internationalen Pressecorps in der geschlossenen Stadt Schichany-2 19 chemische Einsatzmittel der Sowjetarmee vorgeführt. Darunter waren auch die V-Kampfstoff-Gefechtsköpfe für die Rakete 9M21 (FROG-7 = "540 mm") und die Rakete 8K14 (SCUD-B = "884 mm").

A. 6 types of munitions charged with first generation TC:

122-mm artillery shells with lewisite (3.3 kg of concentrated lewisite),
152-mm artillery shells with lewisite (5.4 kg),
100-kg aircraft bomb charged with yperite-lewisite mixture (28 kg charge),
100-kg aircraft bomb charged with yperite-lewisite mixture (39 kg charge),
500-kg aircraft spray rig charged with yperite-lewisite mixture (164 kg of TC),
1500-kg aircraft spray rig charged with yperite-lewisite mixture (630 kg of TC).

B. 8 types of munitions charged with OTC--sarin and soman:

122-mm non-rocket artillery shells (1.3 kg of sarin),
130-mm non-rocket artillery shells (1.6 kg of sarin),
152-mm non-rocket artillery shells (2.8 kg of sarin),
122-mm rocket artillery shells (3.1 kg of sarin),
140-mm rocket artillery shells (2.2 kg of sarin),
240-mm rocket artillery shells (8.0 kg of sarin),
250-kg aircraft bombs (49 kg of sarin),
350-kg aircraft spray rigs (with 45 kg of concentrated soman).

C. 4 types of munitions charged with "VX" OTC:

130-mm non-rocket artillery shells (1.4 kg charge),
122-mm non-rocket artillery shells (2.9 kg),
540-mm nose sections of tactical missiles (216 kg of V-gas),
884-mm nose sections of tactical missiles (555 kg of concentrated V-gas).

Damit war das "Geheimnis um die chemische Waffe der Sowjetarmee" entzaubert und die weitere Entwicklung verlief in Richtung der völligen Vernichtung der sowjetischen chemischen Waffen (siehe auch Kapitel 4 des Buches von Großer, R. (Hrsg.): "Raketentruppen der NVA-Landstreitkräfte - Geheimhaltungsgrad aufgehoben", Halle/Saale 2012, S. 70ff.).
 
Vielen Dank für eure Antworten. Ich war nur irritiert da in der oben erwähnten Dokumentation die Existenz der sowjetischen Lager auch außerhalb der SU in einen Halbsatz erwähnt wurde.

Im Bundesarchiv (Link: http://startext.net-build.de:8080/b...f-f162-4239-8dfa-75d88186e445&sign=DA 1/17527 )

ist nachzulesen (Zweite Akte), das die UdSSR im Januar 1989 erklärten, das keine [Anmerkung: nie oder zu diesen Zeitpunkt?] Chemiewaffen außerhalb der SU lagerten. Diese Aussage wurde zu der Zeit aber nicht verifiziert und auch von den Amerikaner bezweifelt.

BG
Martin
 
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