Artikel: Rekonstruktion zerrissener Stasi-Akten scheitert an der Technik

#18 betreffend.
Lieber Martin, so ungefähr hatte ich mir das ja mit der Aktenvernichtung in Kreisdienststellen vorgestellt. Aber so eine richtig „spannende“ Sachakte einer Kreisdienststelle, die allgemeines Interesse verdient, kann ich mir gar nicht vorstellen.

Was waren das für Themen, die in Kreisdienststellen abgehandelt wurden?

Wenn ich mir die „Aufgaben“ einer Kreisdienststelle (Rügen als Bsp. habe ich auf Anhieb gefunden)

https://www.bstu.bund.de/DE/InDerRe...ten/bestand_rostock_kd_ruegen.html?nn=1836904

anschaue, will mir partout nichts einfallen, was den hohen Aufwand der Rekonstruktion rechtfertigen könnte.
Daher meine Frage: Hättest Du denn ein Beispiel für ein spannendes Thema, das in einer Kreisdienststelle abgehandelt wurde?
 
@martin2,du bist ein erfahrener benutzer und kennst dich sehr gut mit dem mfs aus, wenn das nicht mal langsam stinkt.....wir müßten mal genauer schauen
Das ist ja Dein erster Beitrag seit 9 Jahren, daher sei Dir verziehen. Aber eigentlich sollte man klar und verständlich formulieren. Was wolltest Du mitteilen?
 
... will mir partout nichts einfallen, was den hohen Aufwand der Rekonstruktion rechtfertigen könnte.
Daher meine Frage: Hättest Du denn ein Beispiel für ein spannendes Thema, das in einer Kreisdienststelle abgehandelt wurde?
Zuerst ist die Frage "was ist spannend"? Möglicherweise ist das für Dich etwas ganz anderes als für mich. Zudem wird es das allgemeine Interesse wohl nie geben. Das ist ja mit jedem Archiv so - einige interessiert es, den meisten ist es schnurzpiepegal.

Beispiele wären Überwachung der Kirchen, Einfluss des MfS auf örtliche Betriebe, Katastrophenschutzplanung, lokale Kriminalitätsstatistiken. Oder auch die äußere Absicherung sowjetischer Liegenschaften. Letztere Akten sind für mich sehr interessant: Oft sind dort die einzigen Fotos aus der aktiven Zeit der Liegenschaft - mit Technik und Bewaffnung.
 
Verstehe! Es besteht also berechtigte Hoffnung, dass sich neben den zahlreichen, doch offenbar personenbezogen Dossiers (wenn ich mir die Aufgaben der Kreisdienststelle Rügen so anschaue), Informationen zu den von Dir genannten Themen vorliegen könnten.

Gab es eigentlich eine Direktive, welche Akten zuerst vernichtet werden sollten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand um die Vernichtung von Maßnahmeplänen im Katastrophenfall gekümmert hat.

Mal ganz blauäugig gefragt: Habe ich ohne „gesellschaftlichen Auftrag“ eigentlich eine Chance bei der BStU Akten/Vorgänge zu ehemaligen GSSD Liegenschaften einzusehen. Nicht das ich echten Handlungsbedarf hätte. Es geht mir um die Frage: Wenn schon erhebliche Steuermittel aufgewendet werden – steht denn der „Allgemeinheit“ dann dieser Fundus auch zur Verfügung?
 
Man muss einen konkreten Forschungsantrag stellen - typischerweise mit dem Ziel einer Veröffentlichung.
 
Es geht mir um die Frage: Wenn schon erhebliche Steuermittel aufgewendet werden – steht denn der „Allgemeinheit“ dann dieser Fundus auch zur Verfügung?

@Parzival,

wie @martin2 schon sagte, du stellst - deinen Interessen entsprechend - einen Forschungsantrag und dann wird dir geholfen (je nachdem, was bei der BStU darüber vorhanden ist). Du solltest zwar möglichst genau dein Ziel formulieren, aber auch entsprechenden Spielraum lassen. Denn das größte Problem mE ist, dass du das komplette Akten-Archiv nicht selber durchsuchen kannst, das machen die Mitarbeiter anhand von Stichpunkten aus deinem Antrag. Und je nach ihrer Erfahrung.

Als Beispiel, was man dann so alles machen kann, verweise ich mal "ganz uneigennützig" auf eines meiner hierzu veröffentlichten Themen (MfS, CIA, GSSD, Eisenbahn, Raketen, Atomtransporte und Lokalgeschichte - also wenn die hierzu verwendeten BStU-Akten, u.a. einer Kreisdienststelle, für die "Allgemeinheit" nicht interessant sind, dann weiß ich auch nicht!):
http://muldental-history.de/index.p...enhain/von-dunklen-mannern-und-dunkelmannern/
 
Eine spannende Geschichte und ja - ich verstehe jetzt das Stichwort Sachakten aus Kreisdienststellen.
Ich bin für Stunden bei Muldental-History versackt und noch nicht durch. Ein schönes Projekt.
 
Frage: Ist es Dir ernst mit "Rügen, GSSD"? Oder war das nur ein Beispiel?

Hintergrund: Die Datenbank der BStU ist verschlagwortet, Du kannst Dir das wie eine frühe Datenbank vorstellen. Dein Sachbearbeiter muss aus Deinem Forschungsantrag Schlagworte raten und die dann der dortigen EDV-Abteilung zur Recherche übergeben. Oder - man schreibt die die Schlagworte gleich in den Antrag, das macht es allen Seiten leichter.

Also wenn es Dir ernst ist, liefere ich Dir Schlagworte zum Rügen-Thema in Zusammenhang mit sowjetischen Truppen. Es wäre schön, wenn sich da mal jemand kümmert.

BTW: Keine Angst, Du musst nicht auf Rügen fahren, das passiert alles in Berlin.

P.S: Das ist aber kein Sonntagsvernügen. Du musst schon Ausdauer haben - das ist jahrelange, harte Arbeit.
 
Gab es eigentlich eine Direktive, welche Akten zuerst vernichtet werden sollten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand um die Vernichtung von Maßnahmeplänen im Katastrophenfall gekümmert hat.
Diese Frage hatte ich übersehen, entschuldige bitte.

Das MfS hatte eine Aktenhaltung wie man sich das für eine vernünftige deutsche Verwaltung wünscht: Akten wurden geführt. Nach Abschluss des Vorgangs wurde die Akte "geschlossen" und ins (Zentral)Archiv "abverfügt". Dort wurde die Akte abgelegt oder bei geringerem Interesse mikroverfilmt und vernichtet. Wenn wieder Bedarf an einer Akte bestand, kam die auf Anforderung wieder zurück und der Sachvorgang wurde wieder "eröffnet". Also ganz so wie in jeder vernünftigen deutschen Verwaltung - mit dem Unterschied, dass eine jährliche Vernichtung "von Rechts wegen" nicht vorgesehen war.

Das erklärt zunächst einmal, war so ein großer Zentralbestand überlebte.

Zu den Aktenvernichtungen in Zusammenhang mit der Wende - da muss man zwei Fallgruppen unterscheiden:
* Erstaunlich früh (da war an Mauerfall noch nicht zu denken) gab es den Befehl der Vernichtung der Akten der Abt M und 26: Postkontrolle und Telefonüberwachung. Dem MfS war klar, dass beide Tätigkeitsfelder von der Verfassung der DDR nicht ansatzweise gedeckt waren. Der Befehl überdauerte und ist irgendwo im Internet.

* Der allgemeine Befehl "alles vernichten". - Auf diesen Befehl bezieht sich Deine Frage.
Da geht es also um alle LAUFENDEN Akten, alles alle aktuellen Vorgänge. Und das waren sehr viele.

Den KD standen wenige Aktenvernichter, teilweise Öfen, manchmal "Verkollerungsanlagen" zur Verfügung. Je nach Bezirksverwaltung wurden Akten der KDG zunächst auch in den BV zentralisiert und dann dort die Vernichtung begonnen. Die genannten Methoden reichten nicht aus - so begannen Mitarbeiter des MfS, die weiteren Bestände von Hand zu zerreißen (über genau diese Papiersäcke reden wir gerade! Sie sind im Grunde der letzte vorhandene Rest.)

Meines Wissens wurden in der vorhandenen Zeitnot keine Unterschiede gemacht - Geheimhaltungsgrad "GEHEIM" und aufwärts wurde vernichtet. Egal was es war. (Wegen der Art der Vernichtung geht man davon aus, dass in einem Papiersack immer komplette Akten sind.)

Ich kenne keine KD (was aber nichts heißen muss!), die mehr als nur leere Aktendeckel der Bürgerbewegung samt Kreisstaatsanwalt übergab.
 
Rügen war ein Beispiel. Ich habe inzwischen auf den BStU Seiten etwas über die Aktenrekonstruktion gelesen. Man kam da gleich mit einem spektakulären Fall, wie sich durch die Rekonstruktion zerrissener Akten in FFO das Wirken eines IM Thomas ans Licht bringen ließ und die Ergebnisse den Betroffenen präsentiert wurden. Spektakulär? Ob das den Betroffenen hilft?

Ich habe nicht genug Einblick, wie bei der BStU mit personenbezogenen Dossiers umgegangen wird.

Aber das Thema „spannende Sachakten“ habe ich an demos Beispiel sehr gut verstehen können.
Ob das nun gleich die aufwendige Rekonstruktion dieser 15.000 in Rede stehenden Papiersäcke rechtfertigt?

Weder GSSD noch MfS wären Themen, nach denen ich in Archiven suchen würde.
Ich lese diese Themen mit Interesse und bin dankbar, dass sich jemand die Mühe macht, Zeitgeschehen zu dokumentieren.
 
Oh… danke für die Erläuterung zum Stichwort Aktenführung/Aktenvernichtung.

Auch zu dem Thema Aktenvernichtung liest man auf den BStU Seiten etwas.
Genau…ich las, dass die „operativen Vorgänge! vernichtet werden sollten.
Das liess mich auch sofort am Wert der 15.000 Säcke in Richtung Sachakten zweifeln.

Ich las auch, dass man sich bei der BStU geschreddertem Papier bereits getrennt hat.
Für die Rekonstruktion handzerrissenen Unterlagen bestand immer noch Hoffnung.
Die Beschreibung des Verfahrens ist beachtlich und erklärt, wo die ersten 7 Mio geblieben sind.

Verkollerungsanlagen? Da musste ich erst Google anwerfen. Makulieren also…

Ich bedanke mich für diesen netten Exkurs in das Thema MfS Akten. Das bringt für längere Zeit noch Lesestoff und sicher auch manchen Erkenntnisgewinn.
 
Rügen war ein Beispiel.
Schade, ausgerechnet Rügen ist fachlich interessant.

Ich habe inzwischen auf den BStU Seiten etwas über die Aktenrekonstruktion gelesen. Man kam da gleich mit einem spektakulären Fall, wie sich durch die Rekonstruktion zerrissener Akten in FFO das Wirken eines IM Thomas ans Licht bringen ließ und die Ergebnisse den Betroffenen präsentiert wurden. Spektakulär? Ob das den Betroffenen hilft?
Google mal bitte nach "MfS Zersetzung". Die damaligen Opfer, sagen wir lieber Zielpersonen des MfS, sind manchmal noch heute in psychologischer Behandlung. Da hilft schon, dass sie verstehen, wie banal das alles lief.

Ich habe nicht genug Einblick, wie bei der BStU mit personenbezogenen Dossiers umgegangen wird.
Ok, das machen wir mit einem Gedankenspiel - ich erkläre Dir, wie das bei BStU läuft.

Also Du stellst da heute einen Antrag auf Einsicht in Deine eigene Akte. Also rein gedanklich machst Du das - nicht in echt.

Nach vielleicht 3 Wochen kommt ein Brief: Eingangsbestätigung, dort steht auch Dein Aktenzeichen (sagen wir 309/18) und das sie nie wieder mit Dir reden, wenn Du dieses Aktenzeichen nicht angibst.

Nach vielleicht einem Jahr (eher länger) bekommst Du einen weiteren Brief. Zu 90% steht da ganz lapidar drin "Leider müssen wir mitteilen, dass das MfS keine Akte über Sie führte" - also das ist der häufigste Fall.

Dann gibt es noch den Fall, dass in dem Brief sinngemäß steht: In der Hauptkartei des MfS steht, dass Sie erfasst sind. Akten wurden nicht gefunden.

Was bedeutet das?
Das kann alles mögliche bedeuten - weil dem MfS Geheimhaltung wichtig war. In der Zentralkartei stand lediglich, dass eine Person "erfasst" war - und für welche Abteilung. Es stand/steht aber nicht da, wofür Du überhaupt erfasst warst: Ob IM oder IM des KGB oder IM der K1 oder interessante Person oder potenzieller Gegner. Einfach nur "erfasst - mehr kann da niemand herauslesen.

Nun kommen wir zu den spannenden 7% aller Fälle - es existiert eine Akte über Dich.
Im Brief steht also: Ihr Termin ist am 34.02. 2018 um 27 Uhr. Weisen Sie sich mit Personalausweis aus, bringen Sie keine Waffen mit <lacht> - naja so etwa.

Ok, wir gehen da mal hin, da gibt es dann wirklich eine Personenschleuse.
Du wirst in den Lesesaal geführt, da ist Deine Akte. Aber NIE ohne Dich. Bei der ersten Akteneinsicht hast Du einen ganz persönlichen BStU-Mitarbeiter(-in). Sie hat mehrere Aufgaben: Allererstens Psychologie - vielleicht bist Du ja völlig geschockt von dem, was da drin steht. Zweitens Facherklärungen, Du wirst mit dem Fachjargon des MfS wenig anfangen können und immerzu Fragen haben. Drittens natürlich: Keine Aktenvernichtung! Sie überwacht Dich, denn Du hast die originale Akte in der Hand!

Personenbezüge in Deiner Akte - das war eine weitere angedeutete Frage:
Die bekommst die Originalakte. Da stehen Klarnamen drin (dazu später). Es stehen Decknamen von IM drin, die kannst Du nicht entschlüsseln. Als Opfer (jeder mit einer derartigen Akte ist formal erstmal Opfer) hast Du das Recht auf einen Antrag: Ich will die Klarnamen des "IM Grützesuppe" erfahren.

Wer richtig schlau ist, hat Papier und Stift dabei: Man darf während der Akteneinsicht mitschreiben. Warum ist das das nun interessant?

Man kann sich doch nicht alles merken. Und auf die Schnelle gleich gar nicht. Man hat aber das Recht, eine Kopie seiner Akte (oder von Teilen davon) zu erhalten, das wird später zugeschickt - teures Vergnügen übrigens.

Der Trick bei den Kopien ist folgender:
Alle (fast alle) Personen sind geschwärzt. Mal angenommen, bei Dir steht auf einer Seite "seine Freundin Chantal Weber hat gepopelt" wirst Du wegen Schwärzung nur noch "xxxxxxxxxxxxxxxx hat gepopelt" lesen können. Mag bei der damaligen Flamme noch erkennbar sein - aber diese Akten enthalten viele Personenbezüge zu eher unbeteiligten Dritten.

Eine Ausnahme gibt es da:
MfS-Angehörige gelten laut Gesetz grundsätzlich als "Täter" - deren Name ist nicht geschützt. Deren Name ist nicht geschwärzt. Das widerspricht tatsächlich der Idee des Datenschutzes, war damals wie heute aber Zielbedingung. Weniger der Bundesregierung, die fügte sich mürrisch dem Aufbegehren nicht nur der Bürgerbewegung, sondern auch größerer Teile der DDR-Bevölkerung.

Dieses ist wohl auch der Punkt des ansonsten von mir fachlich sehr geschätztem @fernaufklärer - er sieht da ständig den Lynchmob. Völliger Quatsch - was machst Du denn mit der Erkenntnis aus Deiner Akte, dass zwei Seiten ein Genosse Leutnant Lehmann unterschrieben hat? Ja, genau. Nichts. Buchen wir unter "so war das".

Habe ich den Vorgang der Einsicht in die eigene Akte verständlich erklärt?
Falls nicht - gern nachfragen (auch andere gern).

Auch zu dem Thema Aktenvernichtung liest man auf den BStU Seiten etwas.
Genau…ich las, dass die „operativen Vorgänge! vernichtet werden sollten.
Das liess mich auch sofort am Wert der 15.000 Säcke in Richtung Sachakten zweifeln.
Der Wikipedia-Eintrag "operativer Vorgang" ist zwar nicht grob falsch, aber schon irreführend. Der BStU-Artikel https://www.bstu.bund.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/O/operativer-vorgang.html?nn=5976488 ist auch noch nicht der Traum, aber schon deutlich besser.

Ganz anders:
Ein "operativer Vorgang" war eine beginnende Akte. Zum Anfang der Akte ist noch gar nicht klar, welche Personenbezüge es gibt - klar war zu diesem Zeitpunkt lediglich, dass eine opder mehrere Personen betroffen sind - es gibt immer Personenbezug.

Extrembeispiel:
MfS vermutet, dass am 32.02.1988 ein Objekt der GSSD in Jüterbog aufgeklärt werden soll. Das MfS legt den operativen Vorgang (die Akte!) "OV Vorfahrt" an.

Vorsicht, Vokabelproblem!
Ein operativer Mitarbeiter (des MfS) ist nun wieder einer, der IM führt.
 
Zitat von floody
@martin2,du bist ein erfahrener benutzer und kennst dich sehr gut mit dem mfs aus, wenn das nicht mal langsam stinkt.....wir müßten mal genauer schauen
Das ist ja Dein erster Beitrag seit 9 Jahren, daher sei Dir verziehen. Aber eigentlich sollte man klar und verständlich formulieren. Was wolltest Du mitteilen?
@floody
Kommt da jetzt noch eine vernünftige Drohung von Dir?

Oder hast Du ohne Sinn und Verstand Deinen lange gepflegten Zweitnick verbrannt?
 
Lieber Martin, ich habe von Bekannten gehört, wie deren Antragstellung verlief. Enttäuscht, dass nichts da war, oder es war so brisant, dass es wohl vernichtet wurde. Dass es einen „Betreuer“ zur Akteneinsicht gibt, war mir nicht bekannt.

Mit dem Stichwort „Umgang mit personenbezogenen Dossiers“ meinte ich eigentlich das etwas undurchsichtige Prinzip: Wer ist eine Figur des öffentlichen Lebens, dessen Akte für Historiker und Journalisten zugänglich ist und wessen nicht. Welche Informationen gefährden die Sicherheit der Bundesrepublik und sind daher unzugänglich? Wessen IM Identität wird dekuvriert und wessen nicht?

Hat man sich die Mühe gemacht, diese IM und deren Motive zu differenzieren. Der Fahrdienstleiter des Bhf Jüterbog war doch möglicherweise ein ganz anständiger Kerl, der nur seine Beobachtung über sowjetische Güterzüge meldete, während der Kollege XY, der nach einer Alkoholfahrt mit Unfallfolge vor die Alternative gestellt wurde: „kein Abitur oder Kundschafter mit Abi“. Bewerten kann ich das nicht, aber sehr gut verstehen, wie das funktioniert hat.

Ich war überrascht, wer alles Anfang der 90er Jahre auf mich zukam und mit ringenden Händen raunte, ich solle mich mal nicht wundern, wenn ich meine „Akte“ anfordere….
Das habe ich mir geschenkt, da ich Auszüge der Akte einer anderen Person gesehen hatte und bestürzt war, was für „Geschichten“ dort protokolliert waren. Wirklich haarsträubende Denunziationen, offenbar motiviert durch Neid, Geltungsbedürfnis oder von solchen Burschen, die durch Erpressung zum Informanten geworden waren. Daher auch meine bisherigen Zweifel über den Inhalt dieser 15.000 Säcke. Einzigartige Sachakten hatte da nicht im Blick.

Ich bin sicher, daß es Menschen gibt, denen großes Unrecht widerfahren ist und die erst mit dieser Akte in der Hand, die Hintergründe und Zusammenhänge für sich aufklären können. Das hier weiter auszubauen ist sicher kein Hidden Places Thema.

Rügen in 40 Jahren DDR - ein spannendes Thema? Das will ich glauben. Schon allein die Häfen und Hafenprojekte geben sicher Recherchestoff in Regalmeterlänge. Dass da die „Dossiers“ der Kreisdienststelle Rügen einen wichtigen Fundus bilden könnten, kann ich mir jetzt gut vorstellen. Das scheint aber ein Objekt gewesen zu sein, in dem das Bürgerkomitee nicht nur leere Aktendeckel vorgefunden hat. So stellt sich das für mich auf den BStU Seiten dar.
 
... @fernaufklärer - er sieht da ständig den Lynchmob. Völliger Quatsch -.....

Gut, MArtin läßt das Thema jetzt interessant werden.
Art und Weise des Umgangs bei der Akteneinsicht dient nach meinen Erfahrungen tatsächlich dem Schutz der Beteiligten. Auch die Herausgabe der Fakten auf Antragstellung durch die BStU- MA - nach deren Ermessen - riechen nach hoheitlicher Bevormundung ,um den Beziehungsfrieden der ehem. Gegner zu sichern. Wenn Du andere Erfahrungen hast - gut so.

Gerhard Gundermann hatte da so seine eigenen Erfahrungen. Er mit seiner konträren DDR- Vergangenheit (erst IM aius Idealismus, auf den Verräter Stiller gekotzt, und dann hat er sich schließlich von den MfS- Trieftassen losgesagt) war schlußendlich Täter UND Opfer, was ihm Konflikte mit der BStU zu seiner Akteneinsicht eingebracht hat.

Der dicke Pfälzer, der Ende ´89 immer von Brüdern und Schwestern gebrabbelt hat, konnte die Veröffentlicheung seiner Akten seinerzeit erfolgreich verhindern.
Grund sei deren unrechtliche Gewinnung gewesen. Finde ich heute noch clever, diesen Winkelzug.

Noch was; hat die weiter vorn erwähnte Treuhand- Kommission eigentlich auch so akribisch wie die Stasi- Schnipseljägerbehörde agiert?

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht; auch ich bin für Geschichts- Aufarbeitung; kein DIng.
Nur sehe ich gewisse MOtivations- Unterschiede, die immer wieder zu narrativen Diskussionen über den Sinn führen.

na dann, FA
 
...Meine Akte kam 2016 nach wenigen Tagen. Zwei Zettel lagen drin; mein PA- Antrag und mein Grenzpassierschein (odder dessen Antrag).. FA

Noch was, ich habe noch mal meine Aktenschnipsel gesichtet. Wie schon gesagt, meine "Akte" oder was auch immer, kam per Brief.
Ein dritter Zettel lag noch drin; ein Vermerk, dass meine Person in eine "Konzentrierungs-. und Vorverdichtungskartei" gesteckt worden war.
Als jemand , der der Partei- und Staatsführung sinngemäß "hätte gefährlich werden können".
Was ich ausgefressen hatte?
Ich bin mit meiner Patronenhülsensammlung aufgeflogen, ja, stimmt wirklich.
MIt 16 Jahren. Drei oder vier Exemplare waren noch scharf.

Der Genosse machte damals "Du Du..." und gut war, da das breitbandige Sammelspektrum tatsächlich ehr auf akribische Sammlerleidenschaft denn auf Staatsgefährdung hinwies.

Das MfS hat einen guten Job gemacht.

Und später eingestanden, dass die überbordende Überwachung wörtlich "einer der Sargnägel de rDDR war".

Und heute?

vG, Staatsfeind FA
 
Das sind mir jetzt zu viele Themen gleichzeitig. Wenn man alles in einen Topf wirft und kräftig umrührt, kann da nur Unfug herauskommen. Wenn man überhaupt sachlich und in Ruhe diskutieren will, muss man strukturiert vorgehen.

@Parzival2
Die Betrachtung von IM (übrigens auch von hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS) kann immer nur eine Einzelfallbetrachtung sein. In der zeithistorischen Forschung hat sich die Sicht sehr früh durchgesetzt. In der Sicht deutscher Behörden (für Leute, die in Behörden arbeiten wollen) war das sehr durchwachsen, da gab es wirklich alle denkbaren Sichten: Pauschal bis Einzelfall. Oft ist es auch Unwissenheit: Einen SaZ des Wachregiments Feliks Dzierzynski als "Stasi-Mitarbeiter" abzufeiern ist pures Unwissen. Ja, das war die Kaderreserve des Mfs. Aber - wenn der SaZ danach nicht beim MfS war - war das halt kein Mitarbeite.

Du rufst auch die Personen der Zeitgeschichte auf, das ist ein besonderes Kapitel. Wer nun absolute Person der Zeitgeschichte ist, ist ab und an umstritten. Kohl war eine, das ist klar. Und der Altkanzler hatte durchgeklagt, dass seine Akte für die Forschung gesperrt wird. Aber drehen wir das mal rum: Mal angenommen, Du hättest da eine "Opfer"-Akte. Da dürften Forscher -wenn ich das Gesetz recht verstand- nun überhaupt nicht ran. Ich kann Deine Akte zwar beantragen. Aber das wird mir verwehrt werden. Also insofern ist das nicht anders als bei Kohl.

@fernaufklärer
Wir beide schätzen uns ja wirklich - also davon gehe ich aus. Ich verstehe Deine Aufregung nicht - ich lese da zumindest Aufregung heraus.

Wenn statt einer Akten harmloser Klimperkram gefunden wird, kommt das seit einiger Zeit auf dem Postweg. Das betrifft vor allem auch Nachträge. Das alles kostet ja einen Haufen Geld. Und das Behörden das nicht rausknallen findet meine Zustimmung.

Natürlich gibt es zig Sonderfälle, mit Gundermann hast Du einen angesprochen. Es gibt noch viel groteskere Fälle: IM verweigert nach Unterschrift sofort die Zusammenarbeit, hat dann eine dicke "Opfer"-Akte. Darf die aber erstmal nicht sehen, weil er ja "Täter" war. Wobei das in den letzten Jahren wohl auch entspannter wurde, ich kenne einige hauptamtliche Mitarbeiter, die ihre eigene Akte inzwischen einsahen.

Aber das Thema der Personenakten, also wie die DDR ihre Bürger beschnüffelte, mag ja in der öffentlichen Wahrnehmung wichtig sein. Soll es wegen mir auch. Und Du darfst ja gern über heutige Überwachung schimpfen, wenn es passt, bin ich Dir da näher als DU ahnst.

Aber das ist eben NICHT mein Thema.

Sondern es sind die Sachakten. Die sind ein Schatz. Zeitkapseln ohne Ende. Ich kann nur jeden ernsthaften Forscher ermutigen, einen eigenen Forschungsantrag zu stellen! Nicht lange warten, einfach nur loslegen. Denn wir wissen nicht, wie lange es diese Sonderfunktion jenseits des BArch noch geben wird. Und wir als Bürger bezahlen die Veranstaltung namens BStU - also können die auch für uns arbeiten.

P.S: Ich weiß nicht, was die ständige Erwähnung der Treuhandanstalt in diesem Thread soll. Seid mal nicht böse. das hat doch mit dem Thema nichts zu tun. Ich erzähle doch in dem Thema auch nicht vom Berliner Flughafen.
 
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